Übergewicht ist auch Kopfsache
Kann unser Gehirn auf Übergewicht programmiert werden? Ja, denn bestimmte Lebensmittel und (Zusatz-)Stoffe beeinflussen Hungergefühl und Körpergewicht. Wir haben die Dickmacherstoffe für Sie entlarvt.
Abnehmen ist für viele Menschen ein tägliches leidiges Thema. Doch selbst, wenn die Pfunde mal purzeln, scheint der Erfolg nicht von Dauer und schon bald wird die Waage wieder zum größten Feind. Doch warum ist der Ausweg aus dem Jo-Jo-Effekt so schwer? Wissenschaftler meinen, dass unser Gehirn regelrecht auf Übergewicht programmiert werden kann. Eine zentrale Rolle spielen dabei Zusatzstoffe von Nahrungsmitteln sowie Botenstoffe, aber auch unser Verhalten. Bei der Untersuchung übergewichtiger Menschen im Magnetresonanztomografen stellten Forscher des Integrierten Forschungs- und Behandlungszentrums (IFB) der Universität Leipzig fest, dass im Gehirn jene Regionen verändert sind, die mit dem Belohnungszentrum zusammenhängen.
Beim Essen schüttet der Körper Glückshormone aus, man fühlt sich gut, allerdings hält dieser Zustand nur kurz an. Auf Dauer schrumpft die Zahl der Andockstellen für das Dopamin. Das Gehirn wird umprogrammiert und nun muss der Reiz gesteigert werden, um denselben Glückseffekt zu erzielen: Und mit mehr Nahrung kann wieder ein Wohlgefühl erlebt werden. Einmal falsch erlernte und automatisierte Verhaltensweisen wirken sich ungünstig auf unser Gewicht aus. Gleichzeitig ist es jedoch auch möglich, das Gehirn sozusagen wieder zurückzuprogrammieren.
Hormone die Schaltzentrale im Körper
Ohne Botenstoffe wären wir aufgeschmissen. Hormone regeln wichtige Vorgänge im Körper. Sie bestimmen auch, wie wir aussehen. Das Schlankheitshormon Leptin ist maßgeblich daran beteiligt ob wir schnell zunehmen oder dazu neigen, dass sich jeder Bissen dauerhaft auf den Hüften niederschlägt. Unser Gehirn entscheidet je nachdem, was wir essen, über die Bildung von Fett. Bestimmte Zusatzstoffe beeinflussen die Hormone.
So kann Glutamat die Leptinproduktion völlig lahmlegen. Wir verlieren unser Sättigungsgefühl oder bekommen bereits nach kurzer Zeit wieder Heißhunger. Leider gilt Glutamat als die Allzweckwaffe unter den Geschmacksverstärkern und ist in unglaublich vielen Lebensmitteln enthalten. In fast allem, was haltbar und salzig ist: Soßen, Tütensuppen, Chips oder Wurst. Glutamat schmeckt eher salzig-süß und verändert den Geschmack von Speisen. In Studien konnte belegt werden, das Glutamat das Sättigungszentrum im Gehirn beeinflusst, indem es die Konzentration des Schlankheitshormons Leptin verringert. Bestimmt kennen Sie den Effekt: Egal, wie viele Chips Sie gegessen haben, Sie greifen immer wieder in die Tüte.
Hungry Brain Syndrom
Wie kann es sein, dass wir immer gieriger werden, je mehr wir essen? Scheinbar sorgen verschiedene Systeme im Gehirn dafür, dass der Mensch so viele Kalorien wie möglich aufnimmt, um das Gehirn mit so viel Energie wie möglich zu beliefern. Der Neurobiologe Hans Berthoud nennt dieses Phänomen “Hungry Brain Syndrom”. Dabei wirkt Nahrung wie eine Droge. Studien zeigen, dass Übergewichtige von dieser Sucht stärker betroffen sind als Normalgewichtige und immer höhere Kalorienmengen benötigen, um zufrieden zu sein.
Unser Gehirn kann auch zum Salz-Junkie werden: Der Geschmacksverstärker Guanylsäure, der unter anderem in Pommes Frites, Soßen und Fertiggerichten verwendet wird, entfaltet seine volle Wirkung in stark salzhaltigen Lebensmitteln. Doch Salz kann süchtig machen und im Körper ein ähnliches Bedürfnis wie bei einer Drogensucht auslösen. Auch hier stellt sich der bekannte Effekt ein: Je mehr Salz wir zu uns nehmen, desto mehr fordert das Gehirn. Kein Wunder also, dass viele Menschen einen wahren Heißhunger auf Fertiggerichte wie Pizza und Co. entwickeln und diese mit einem Glücksgefühl verbinden.
Die Diät-Drink-Falle
Erinnern Sie sich noch an die Zeiten, in denen spezielle Diabetiker-Produkte boomten? Mittlerweile sind sie fast alle aus den Supermarktregalen verschwunden, denn Zuckeraustauschstoffe geraten immer mehr in die Kritik. In Bezug auf Übergewicht schneidet vor allem Aspartam nicht gerade gut ab. Der synthetische Süßstoff, der unter anderem in Diät-Drinks und Kaugummi enthalten ist, ist 200-mal so süß wie Zucker und da er in viel geringeren Mengen verwendet wird, liefert er praktisch keine Kalorien. Das klingt für Menschen mit Diabetes verführerisch, allerdings regt Aspartam den Appetit an, denn im Gegensatz zu natürlichem Zucker bietet der Süßstoff dem Körper nichts, was das Hungergefühl während des Konsums wieder drosseln würde. So denkt das Gehirn, dem Körper mangele es an Energie, schließlich wird kein Zucker zugeführt, und unser Denkapparat befiehlt uns, mehr zu essen.
Die Kalorien, die durch den Diät-Drink eingespart wurden, kommen schnell auf anderem Weg in den Körper. Der nächste Schokoriegel oder eine größere Portion beim Mittagessen füllt den vermeintlichen Mangel auf und mit der Zeit landen die nächsten Kilos auf den Hüften. Ein weiterer Stoff, der in Diät-Drinks, aber auch in Desserts oder Marmeladen Verwendung findet, ist das Cyclamat. Durch den süßen Geschmack des künstlichen Zuckers kann es bei gesunden Menschen zu einer Insulin-Überproduktion kommen. Der Dauer-Konsum von cyclamathaltigen Lebensmitteln kann zu einer Abneigung gegen weniger süße Produkte führen. Übrigens ist Cyclamat in den USA seit Jahrzehnten verboten.
Schnell ist nicht gut
Als Diabetiker kommen Sie um schnelle Kohlenhydrate nicht herum: Bei Unterzuckerungen sind sie das Mittel der Wahl. Im Alltag sollten Sie jedoch auf Lebensmittel mit einem hohen glykämischen Index weitestgehend verzichten. Das Toastbrot am Morgen ist auf deutschen Frühstückstellern sehr beliebt, allerdings manipuliert es das Gehirn: Im Gegensatz zum gesunden Vollkornbrot mit einem niedrigeren glykämischen Index treibt es den Blutzuckerspiegel in die Höhe. Nun glaubt das Gehirn über Unmengen Energie zu verfügen und befiehlt, große Teile der Energie als Fettreserve einzulagern. Allerdings folgt nach dem rasanten Anstieg, ein ebenso rasanter Absturz. Die kurzkettigen, leicht verdaulichen Kohlenhydrate liefern nur für einen kurzen Zeitraum viel Energie.
Der Körper fordert bald wieder mehr und das Hungergefühl kehrt zurück. Für manchen Diabetiker, empfiehlt sich statt normalem Zucker Fruchtzucker (Fructose). Dieser ist nicht nur in Obst, sondern auch als Süßungsmittel in Diätprodukten enthalten. Unser Gehirn verfügt sozusagen über eine Kontrollstelle im Körper, die bestimmt, was mit dem aufgenommenen Zucker geschieht. So wird Traubenzucker (Glukose) etwa zur Energiegewinnung eingesetzt oder in Fettsäuren verwandelt. Hingegen kann Fruktose das Gehirn und die Kontrollstelle austricksen: Sie wird in Fett umgewandelt und treibt die Harnsäurekonzentration nach oben. Eine Insulinresistenz und somit eine mangelhafte Verwertung von Zucker und anderen Nährstoffen können die Folgen sein.
Geheime Gefahren
Hätten Sie gedacht, dass Teflon, das häufig als Beschichtung von Pfannen eingesetzt wird, zu Übergewicht führen kann? Es steht im Verdacht, eine Unterfunktion der Schilddrüse zu verursachen und somit zu einem verlangsamten Stoffwechsel beizutragen. Auch sogenannte Phthalate verwirren unser Gehirn. Sie finden sich unter anderem in Weichmachern für Kunststoffverpackungen, in Folien, Tüten sowie Deckeln und sind nicht fest mit dem Plastik verbunden. Der Stoff kann sich lösen und so direkt in den Körper gelangen. Zudem ähneln viele der Kunststoffverbindungen chemisch gesehen den körpereigenen Hormonen, die Hungergefühle auslösen.
Die Plastikstoffe verändern somit den Hormonhaushalt: Sie schalten Sättigungshormone aus und wir bekommen Hunger. Nicht unterschätzt werden sollte auch die Gefahr von Bisphenol A, das bei Beschichtungen von Plastikbehältern, Getränke- und Konservendosen verwendet wird. Der Stoff unterdrückt das Hormon Adiponectin, das den Körper sozusagen vor Gefahren wie Bluthochdruck, schlechten Cholesterinwerten, Diabetes und eben auch vor Übergewicht schützt. Es kommt zu einer Unterdrückung der für die Gewichtskontrolle wichtigen Hormone und wir können nicht mehr entscheiden, welche Nahrung wirklich gesund für uns ist.
Unerwünschte Zusatzstoffe
Erholung im Stoffwechsel Neben Geschmacksverstärkern können auch Weichmacher, Aromastoffe und sogar Pestizide unser Körpergewicht beeinflussen. Diese Stoffe lösen im Gehirn Falschsignale aus, es werden mehr Kalorien gefordert als benötigt und der Körper wird auf Dicksein programmiert. Damit sich das Stoffwechselprogramm erholen kann, ist es wichtig, dass diese Stoffe weitestgehend vermieden werden. Achten Sie bewusst auf die Inhalts- und Zusatzstoffe in Ihrem Essen und konsumieren Sie, wenn möglich natürliche Lebensmittel in Bio-Qualität. Nur wenn Sie weniger chemische Botenstoffe zu sich nehmen, setzen Sie Ihr Gehirn auch weniger Falschsignalen aus und Ihr Denkorgan bekommt die Möglichkeit, den Energiehaushalt zu regulieren. Zwar kann es Monate dauern, bis das Gehirn von den Falschsignalen der chemischen Zusatzstoffe befreit ist, doch, wenn Sie es geschafft haben, werden Sie merken, dass sich Ihr Hungergefühl deutlich reduziert hat und die Heißhungerattacken nachlassen.