Bessere Gesundheit

Naturheilkunde bei Diabetes

Die Natur hat Konjunktur. Von Bio-Nahrungsmitteln über Naturkosmetik bis hin zu natürlichen Heilverfahren. Immer mehr Menschen setzen auf natürliche Alternativen. Grund genug, in Sachen Diabetes hinzusehen und zu fragen, welchen Nutzen die Natur und die Naturheilkunde bei Diabetes haben können. Text: Svea Golinske

Was ist Naturheilkunde überhaupt? Es geht in der Naturheilkunde darum, mit natürlichen und milden Therapien die Abwehr- und Selbstheilungskräfte des Körpers zu aktivieren. Sie ist nicht, was fälschlicherweise oft geschieht, mit Alternativmedizin gleichzusetzen. Anders als bei dieser, stehen zumindest die klassischen Naturheilverfahren in ihren Positivwirkungen wissenschaftlich zu großen Teilen auf stabilem Fundament, was bei vielen alternativmedizinischen Behandlungsweisen nicht der Fall ist.

Nutzen der Naturheilkunde bei Diabetes

Kann die Natur Diabetes heilen? Nein, zumindest nicht, dass wir bisher wüssten! Dies ist zunächst einmal festzuhalten, wenn man nach dem Nutzen der Naturheilkunde bei Diabetes fragt.

Was die Naturheilkunde aber bei Diabetes nach dem derzeitigen Kenntnisstand leisten kann, ist dennoch nicht zu verachten:
Die großen Potenziale liegen in der Verbesserung des Allgemeinzustandes und damit auch in der Hinauszögerung und Linderung von diabetischen Folgeerkrankungen. Dies ist die „große Domäne“ der Naturheilverfahren, so die Ärztin und Ernährungsmedizinerin Dr. Monika Pirlet-Gottwald, die ihr Behandlungsspektrum um Naturheilkunde erweitert hat und die Position der Vizepräsidentin des Zentralverbandes der Ärzte für Naturheilverfahren und Regulationsmedizin e.V. bekleidet. „Die Naturheilkunde versucht die inneren Heilkräfte des Menschen zu stärken. Naturheilverfahren können zudem einen wesentlichen Beitrag zu Verbesserung der allgemeinen Stoffwechselsituation der Menschen leisten“, so Dr. Pirlet-Gottwald.

Die fünf Grundpfeiler der Naturheilkunde und ihr individueller Nutzen für Diabetiker:

Physikalische Therapien

Dr. Peter Schneiderbanger, Allgemeinmediziner mit diabetologischem Schwerpunkt, Bäderarzt und zusätzlich in Naturheilverfahren ausgebildet, verfügt über einen umfangreichen Erfahrungsschatz hinsichtlich der Hydrotherapie bei Diabetes: „Insbesondere bei diabetesbedingten Polyneuropathien habe ich in meiner langjährigen Erfahrungspraxis gute Erfolge mit hydrotherapeutischen Maßnahmen verzeichnen können. Von schmerzenden bis hin zu chronisch kalten Füßen, kann ein regelmäßig und richtig durchgeführter Wechselknie- oder Schenkelguss langfristig Beschwerden lindern und die lokale Befindlichkeit verbessern.“ Dr. Schneiderbanger setzt hier vor allem auf die Empfehlungen des populären Pfarrers Sebastian Kneipp (1821-1897), der durch seine verschieden temperierten Wasseranwendungsempfehlungen bekannt geworden ist.

Kneippsche Maßnahmen können nicht nur bei der Linderung von Beschwerden durch diabetische Folgeschäden wirksam sein. Die von kalt über wechselwarm bis heißen Wasseranwendungen, die vornehmlich mit Temperaturreizen auf den Körper wirken, haben auch eine generell positive Wirkung auf den gesamten Organismus. Richtig ausgeführt können sie unter anderem die Abwehrkräfte steigern, wirken durchblutungsfördernd, harmonisieren den Schlafrhythmus und haben positive Auswirkungen auf den Blutdruck.

Wichtig für Diabetiker: Alle physiologischen und psychologischen Vorgänge können auch Einfluss auf den Blutzucker haben. Sind wir angespannt und gestresst, so bleiben auch meist die Blutzuckerwerte höher. Eine allgemeine milde und auf entspannende Weise wirkende Vitalisierung durch eine kneippsche Wasseranwendung kann also zur Folge haben, dass weniger Stresshormone im Körper aktiv sind und dadurch weniger Insulin benötigt wird. Bedenken wir dies nicht und haben die Insulinmenge oder das Essverhalten nicht angepasst, droht Unterzuckerungsgefahr. Auch bei Naturheilverfahren physikalischer Art sollte man daher besonders auf den Blutzucker achten und mit dem behandelnden Arzt Rücksprache halten.

Ernährung

Jedem Diabetiker ist bekannt, dass in richtiger Ernährung einer der entscheidenden Schlüssel zur Einstellung des Diabetes liegt. Insofern zählt die Ernährung nicht nur zu den Pfeilern der Naturheilkunde, sondern ebenso ist sie ein klassischer Therapieansatz der Schulmedizin. Eine vollwertige Ernährung wird Diabetikern meist empfohlen, aber „Vollwertigkeit geht im naturheilkundlichen Denken stets mit der für den Individualfall spezifischen Bekömmlichkeit einher“, so Dr. Pirlet-Gottwald. Sie sieht in diesem Zusammenhang die vollwertige und fettarme Mischkost-Empfehlung bei Diabetes im Vergleich zu einer kohlehydratreduzierten Ernährung auf dem Prüfstand.

Bei geplanten Diät-Veränderungen gilt immer, Rücksprache mit dem behandelnden Arzt zu halten, der Kenntnis über die Blut- und Urinwerte hat.

Bewegung

Wie auch die Ernährung zählt die Bewegung zu den klassisch schulmedizinischen Ansätzen. Gerade für Diabetiker sind Bewegung und Sport wichtig, da sie helfen, die Blutzuckerwerte im Griff zu halten. Der Insulinbedarf sinkt, das Gewicht und die Fitness wird positiv beeinflusst, die Abwehrkräfte gestärkt und die Durchblutung gefördert. Spätfolgen kann hierdurch präventiv entgegengewirkt werden und sie können durch ein angepasstes Bewegungsprogramm auch kurativ verbessert werden.

Phytotherapie bei Diabetes

Vor allem langjährige Diabetiker kennen es nur zu gut, dann und wann sprießt eine neue Pflanzenrevolution aus dem Boden, die es auf natürliche Weise bewerkstelligen können soll, den Blutzucker zu senken. Ganz weit oben auf der Liste der angeblich natürlichen Blutzuckersenker steht der Zimt, der im Übrigen in zu hohen Dosen gesundheitsgefährdend wirken kann. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft rät von therapeutischen Zimtgaben für Diabetiker ab und auch Dr. Schneiderbanger sagt aus seiner Praxiserfahrung: „Um ehrlich zu sein, ist mir keine Heilpflanze bekannt, die nachweislich den Blutzucker senkt, noch haben mir meine Patienten von jung bis alt von etwas derartigem berichtet.“ Allerdings gibt es immer wieder vor allem Typ-2-Diabetiker, die von einer positiven Wirkung auf ihren Blutzucker durch Zimtgaben und andere Pflanzen berichten. Die Forschung kann diese Ergebnisse allerdings nicht eindeutig bestätigen.

Weitere Heilpflanzen wie zum Beispiel Kurkuma und Ingwer stehen, wenn auch nicht bewiesenermaßen, im positiven Verdacht blutzuckersenkend zu wirken. Anders als die meisten konventionellen Medikamente wirken Heilpflanzen vielseitig. So hat der Ingwer unabhängig von einer möglichen blutzuckersenkenden Wirkung vielerlei gesundheitsfördernde Wirkungen. Er kurbelt unter anderem den Stoffwechsel an und stärkt die Abwehrkräfte, kann also den Allgemeinzustand verbessern und dadurch indirekt auch eine gute Blutzuckereinstellung begünstigen.

Wichtige Wirkungen von Heilpflanzen für Diabetiker sind zum Beispiel die Durchblutungsförderung und vor allem für Typ-2-Diabetiker die Antientzündlichkeit. Eine erwiesenermaßen entzündungshemmende Pflanze ist beispielsweise die Aloe Vera. In Rücksprache mit dem Arzt kann hier für gewöhnlich nebenwirkungsfrei eine Einnahme begonnen werden.

Aber: Notwendige Insulinsubstitutionen können nach aktuellem Wissensstand in keinem Fall von Heilkräutern ersetzt werden.

Ordnung

Jeder Diabetiker kennt es und hat vermutlich auch schon darunter gelitten: die beinahe Unmöglichkeit der Maßlosigkeit – möchte man sich nicht in Gefahr bringen. Ein in gewissen Bahnen verlaufender Alltag erleichtert die Blutzuckereinstellung. Ausreichend Schlaf und psychische Entspannung haben ebenso positiven Einfluss auf die Blutzuckerwerte und den Insulinbedarf.

Wichtig ist: Finden Sie ihre eigene Ordnung. Ergebnisse darüber was gesund ist und was nicht, sollten hierbei zwar den Rahmen vorgeben, aber das sich „damit Wohlfühlen“- unsere Psyche – trägt ebenso zur Gesunderhaltung bei.

Was bleibt

Was folgt nun also für den naturheilkundlich aufgeschlossenen Diabetiker?

Wenn Sie versuchen möchten, Ihre Blutzuckereinstellung auf natürliche Weise zu beeinflussen, so halten Sie Rücksprache mit Ihrem behandelnden Arzt und achten Sie unbedingt verstärkt auf Veränderungen Ihrer Befindlichkeit und Ihres Blutzuckerspiegels.

Traurig, aber immer noch wahr ist, dass noch kein Kraut weder gegen Diabetes-Typ-1 noch -Typ-2 gewachsen ist. So unterschiedlich beide Erkrankungen sind, so gleich ist ihnen, dass für die Therapie vor allem der Lebensstil relevant ist.

Während je nach Schweregrad und Begleiterscheinungen des Diabetes-Typ-2 Lebenstilveränderungen – in der Naturheilkunde die Säulen Bewegung, Ernährung und Ordnung – bereits genügen können, um auf Insulin und weitere Medikamente zu verzichten, bleibt es für Typ-1-Diabetiker weiterhin dabei, dass sie Insulin durch Injektionen oder eine Pumpe benötigen. Naturheilverfahren können die Therapie ergänzend unterstützen. Einige Naturheilverfahren sind auch solche konventioneller Ansätze.

Nicht nur die Schulmedizin auch die Natur- und Alternativmedizin suchen stets nach neuen Verfahren, Diabeteserkrankungen positiv zu beeinflussen und zu heilen. Halten Sie daher stets die Augen offen, aber richten sie den Blick kritisch auf neue Therapien. Des einen Hoffnung ist leider allzu oft des anderen Profit.

Klassische Naturheilverfahren können Sie in Absprache mit dem Arzt meist bedenkenlos einsetzen. Entweder um Ihren Allgemeinzustand zu verbessern, sowie unterstützend zur Vermeidung, Abschwächung und Linderung von Folgeschäden.