Bessere Gesundheit

Schnell wieder gesund

Infekte bedeuten für den Körper immer Stress. Das wirkt sich auch auf den Blutzuckerspiegel aus. So beugen Sie Erkältungen bei Typ-1- und Typ-2-Diabetes richtig vor und vermeiden Komplikationen.

Husten, Schnupfen, Heiserkeit – im Herbst und im Winter haben wir das Gefühl, dass uns besonders oft eine Erkältung in den Knochen steckt. Der Wechsel aus Nässe, Kälte und trockener Heizungsluft macht unseren Schleimhäuten das Leben schwer. Doch im Gegensatz zu den typischen Grippewellen (etwa von Dezember bis April), treten Erkältungen generell das ganze Jahr über auf. Durchschnittlich sechs- bis neunmal im Jahr sind wir krank. Menschen mit Diabetes erwischt es unter Umständen häufiger, vor allem, wenn die Stoffwechsellage nicht stabil ist und die Blutzuckerwerte schwanken. Das strapaziert ebenso das Abwehrsystem wie ein ungesunder Lebensstil. Auch das Alter und die allgemeine gesundheitliche Verfassung spielen eine Rolle bei Infektionen. Vor allem ältere Menschen mit Diabetes haben ein erhöhtes Risiko dass es durch eine einfache Erkältung zu Komplikationen wie einer bakteriellen Lungenentzündung kommt.

Erhöhter Insulinbedarf

Ob Erkältung, Grippe oder Magen-Darm-Infekt – für Diabetiker bedeutet das zusätzlichen Stress. Neben dem „Kampf“ gegen den Infekt gerät auch noch der Blutzucker durcheinander. Er kann je nach Krankheitsbild sowohl stark ansteigen, als auch rapide sinken. Hohe Werte sind vor allem auf die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol zurückzuführen. Zudem produziert der Körper Hormone, um virale Infektionen zu bekämpfen. All das beeinflusst den Blutzuckerspiegel und die Wirkung des Insulins. Nicht selten steigt der Insulinbedarf um das Doppelte der gewohnten Menge an. Das ist völlig normal und die Schwankungen müssen durch eine entsprechende Therapieanpassung im Zaum gehalten werden, denn zu hohe Werte schwächen wiederum das Immunsystem und es kann bei Infekten schneller als üblich zu einer Insulinresistenz und einer Hyperglykämie kommen. Deswegen ist ein schnelles Eingreifen nötig. Wer sein Blutzuckerprotokoll aufmerksam studiert, kann Infekte manchmal sogar erkennen, bevor starke körperliche Symptome auftreten. „Wenn meine Werte besonders am Abend und in den Morgenstunden aus unerklärlichen Gründen ansteigen und kein Therapiefehler vorliegt, dann werde ich hellhörig“, sagt Melanie. Die 36-jährige Bürokauffrau hat seit 14 Jahren Typ-1-Diabetes und trägt eine Pumpe. „Meist steigen erst die Werte und im Laufe des nächsten Tages spüre ich immer mehr Erkältungsanzeichen. Dann reagiere ich sofort und passe meine Insulindosis entsprechend an. Über die Pumpe kann ich feine Einstellungen vornehmen. Ich messe meinen Blutzucker häufiger und protokolliere alle Werte.“ Das spezielle „Erkältungsschema“ hat Melanie in Absprache mit ihrem Diabetologen festgelegt. „Anfangs war es komisch, die Insulinmengen so stark anzuheben, aber es funktioniert“, erzählt sie zufrieden.

Fieber ernst nehmen

Besondere Vorsicht ist bei fieberhaften Infekten gefordert. Oft sind wir dann nicht mehr in der Lage, unseren Blutzucker regelmäßig zu testen und auf Schwankungen zu reagieren. Wir fühlen uns schwach, schlafen viel und können Entgleisungen möglicherweise nicht richtig einschätzen. Melanie hat das schon einmal am eigenen Körper spüren müssen: „Ich hatte eine hartnäckige Grippe, starke Gliederschmerzen und hohes Fieber. Meine Werte stiegen über 300 mg/dl an und ich bekam sie nicht mehr in den Griff.“ Ihr Mann erkennt die Schwere der Situation und fährt mit seiner Frau ins Krankenhaus. Eine Ketoaszidose konnte gerade noch verhindert werden. „Mein Beispiel soll Diabetikern keine Angst machen, aber verdeutlichen, wie wichtig es ist, die Situation ernst zu nehmen, sich auch anderen Menschen anzuvertrauen und Hilfe zuzugestehen“, betont Melanie. Bevor die junge Frau hohe Werte leichtsinnig in Kauf nimmt, kontaktiert sie ihren Diabetologen und bittet immer mindestens eine vertraute Person mit ihr in regelmäßigem Kontakt zu bleiben.

Tabletten nicht einfach absetzen

Diabetiker, die mit Tabletten behandelt werden, dürfen diese nicht ohne Rücksprache mit ihrem Arzt weglassen, selbst wenn sie mäßigen bis keinen Appetit haben. Denn auch bei Typ-2-Diabetikern wirken die aufgrund des Infekts ausgeschütteten Stresshormone als Gegenspieler des Insulins und treiben den Blutzucker in die Höhe. Vorsicht ist vor allem bei Sulfonylharnstoffen und Gliniden geboten. Sie steigern das Risiko für Unterzuckerungen, weil die Insulinfreisetzung unabhängig von der Höhe des Blutzuckerspiegels angeregt wird. Außerdem steigt bei gleichzeitiger Einnahme von Sulfonylharnstoffen und bestimmten (nicht kardioselektiven) Betablockern das Risiko für verstärkte und verlängerte Unterzuckerungen, da mögliche Warnzeichen wie vermehrtes Schwitzen abgeschwächt auftreten können. Auch mit anderen Arzneistoffen wie Metformin oder Inkretin-Analoga kann es bei einem Infekt zu Komplikationen kommen. Letztere werden zur Behandlung des Typ-2-Diabetes eingesetzt, wenn andere Diabetesmedikamente den Blutzucker nicht ausreichend senken und können mit verschiedenen anderen Wirkstoffen wie Metformin oder Sulfonylharnstoffen kombiniert werden. Ob unter Umständen ein Absetzen erforderlich ist, besprechen Sie mit Ihrem Diabetologen. „Vor einigen Jahren hatte ich eine Erkältung und konnte mehrere Tage kaum etwas essen“, erzählt Renate. Die Typ-2-Diabetikerin hat ihren Blutzucker mit Tabletten eigentlich gut im Griff. „Zuerst stiegen die Werte an, dann hatte ich aber mit Unterzuckerungen zu kämpfen und musste die Medikamente kurzzeitig absetzen.“ Doch die 67-jährige hat auch einen ganz anderen Fall erlebt: „Mich hat einmal eine wirklich schwere Infektion erwischt. Ich bekam hohes Fieber und war kaum bei Bewusstsein. Meine Blutzuckerwerte waren dauerhaft erhöht und nicht mehr mit Tabletten einstellbar. Also stellte mich mein Arzt auf Insulin um, bis es mir besser ging.“ Was deutlich wird: Infekte können unterschiedliche Auswirkungen auf den Körper haben und jede Situation muss individuell betrachtet werden. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt ruhig auch vorbeugend über Blutzuckeranpassungen im Erkältungsfall. Übrigens ist eine Erkältung nicht gleich einer Grippe. Siehe Kasten auf Seite 61.

Plötzlich zu niedrige Werte

Auch wenn Infekte generell den Blutzucker in die Höhe treiben, drohen bei einer Magen-Darm-Grippe Talfahrten. Erbrechen oder Durchfall gefährdet die Aufnahme von Kohlenhydraten. Wenn zu viel Insulin oder Diabetesmedikamente im Körper sind, aber nicht gegessen oder die Mahlzeit erbrochen wird, können Unterzuckerungen die Folge sein. Die Schwere ist dabei unter anderem von der Dosis der Medikamente sowie von der Insulinempfindlichkeit des Körpers abhängig. Nicht immer ist man in der Lage, sich bei einem schweren Infekt und einem geschwächten Körper selbst zu helfen. Holen Sie sich Hilfe von einer vertrauten Person und zögern Sie nicht, einen Arzt oder ein Krankenhaus aufzusuchen, wenn die Situation nicht mehr eigenständig zu bewältigen ist.

Infekt oder Resistenz?

Übelkeit und Erbrechen muss nicht immer auf einen Magen-Darm-Infekt hinweisen, die Anzeichen können auch Symptome einer diabetischen Ketoazidose, also einer schwerwiegenden Stoffwechselentgleisung aufgrund von Insulinmangel sein. Bei anhaltenden Blutzuckerwerten über 250 mg/dl (= 14 mmol/l) und Bauchschmerzen, Übelkeit oder Erbrechen sollten Sie die Ketonkörper im Urin messen und bei Ketonnachweis einen Arzt kontaktieren. Wenn Sie selbst kein Diabetiker sind, aber eine Ihnen vertraute Person, dann ziehen Sie bei den beschriebenen Symptomen immer auch eine mögliche (drohende) Ketoazidose in Betracht. Weitere Anzeichen dieser Stoffwechselentgleisung sind: Azetongeruch in der Atemluft, tiefes Atmen (Kussmaul’sche Atmung), starke Müdigkeit oder Benommenheit, starker Durst, häufiges Wasserlassen und allgemeine Schwäche.