Ab aufs Pferd
Reiten baut nicht nur Stress ab, sondern wirkt sich auch positiv auf die körperliche Gesundheit aus.
So wird nicht nur die Muskulatur gestärkt, sondern auch die Balance und Koordination gefördert und die Durchblutung verbessert.
Wenn es um das Thema reiten geht, denken viele, dass dieser Sport ja nicht anstrengend sei, da das Pferd den Reiter einfach nur auf dem Rücken herumtrage. Doch hinter dem Training mit dem Pferd steckt viel mehr. Zunächst ist es wichtig zu wissen, dass ein Pferd nicht einfach so das Reitergewicht (er-)trägt, ohne entsprechend ausgebildet zu sein. Denn Pferde sind von Natur aus keine Lastenträger. Die Wirbelsäule hängt sozusagen wie eine Hängebrücke zwischen Vorder- und Hinterbeinen. Bei Belastung durch das Reitergewicht gibt sie nach. Deshalb muss das Pferd durch eine entsprechende Ausbildung und dem damit verbundenen Muskelaufbau gestärkt werden. Egal, ob Sie bei Ausritten die Natur genießen wollen, oder sportliche Ambitionen haben – wer mit dem Reiten beginnt, sollte sich um einen guten Trainer bemühen, der darauf bedacht ist, sowohl den korrekten Sitz, als auch die richtige, feine Einwirkung auf das Pferd zu lehren.
Das Pferd als Spiegel
Wenn Sie jeden Tag für mehrere Stunden in einer falschen Haltung vor dem Computer sitzen, führt diese Fehlhaltung irgendwann zu Schmerzen und sie kann sich negativ auf den gesamten Bewegungsapparat auswirken. Gleiches gilt für das Reiten. Jedoch ist hier noch zu bedenken, dass die Bewegungen des Pferdes hinzukommen und sowohl ein gewisses Maß an Koordination, als auch an Balance nötig ist, um korrekt zu sitzen. Auf dem Rücken des Pferdes werden oft Blockaden des Reiters sichtbar, da das Pferd diese widerspiegelt. Hätten Sie gedacht, dass sogar Verspannungen des eignen Kiefers den Bewegungsfluss des Pferdes beeinflussen können? Nicht wenige Leute beißen im Alltag regelrecht die Zähne zusammen und nehmen diese Anspannung auch mit in die Reitstunde. Das gute daran: Wenn Sie mit Hilfe eines Trainers diese Blockaden aufdecken, können sie daran arbeiten und sie lösen. Doch warum ist das Pferd solch ein guter Spiegel für den Menschen? Stellen Sie sich vor, Sie tragen eine andere Person Huckepack auf dem Rücken und laufen ein Stück. Lehnt sich diese Person zurück oder klammert sie sich fest, dann kommen Sie schnell aus der Balance und verändern ihr Tempo. Umgekehrt wirken sich auch Ihre Bewegungen auf die andere Person aus. Ein gutes Team bilden sie, wenn beide auf dem Bewegungsfluss durch eine entsprechende Körperhaltung, Balance und Koordination folgen.
Das Becken als Bewegungszentrum
Im Sattel wirkt der Reiter auf verschiedene Arten auf das Pferd ein. Dazu gehören Gewichts-, Zügel-, Schenkel- und Stimmhilfen. Unter einer Hilfe versteht man einfach gesagt ein Signal an das Pferd, beispielsweise durch Gewichtsverlagerung, Druck mit dem Schenkel oder Einwirkung mit der Hand über den Zügel bis zum Maul des Pferdes. Die Bewegung des Pferdes wird von der Hinterhand (sozusagen dem „Motor“) über den Rücken bis zum Maul des Pferdes und wieder zurück übertragen. Der Pferderücken schwingt dabei als Brücke zwischen Vor- und Hinterhand räumlich betrachtet, sowohl in Richtung vor-zurück als auch nach links-rechts und nach oben-unten. Als Reiter haben wir die Aufgabe, diesen Bewegungsfluss zuzulassen und ihn nicht mit unserem eigenen Körper zu blockieren. Wie gut das Zusammenspiel von Reiter und Pferd funktioniert, ist also maßgeblich vom Sitz des Reiters abhängig. Unter anderem ist es wichtig, den Kontakt zum Pferderücken nicht zu verlieren. Hergestellt wird er über das Becken des Menschen. Sie können sich das Becken als Bewegungsumwandler vorstellen, das die dreidimensionale Bewegung des Pferderückens auffängt, sodass der Reiter elastisch auf dem Pferderücken sitzen kann ohne aus dem Gleichgewicht zu kommen. Viele Menschen haben eine regelrechte Blockade im Becken und es fällt ihnen schwer, im Takt des Pferdes mitzuschwingen. Das klingt vielleicht zunächst kompliziert, doch es macht deutlich, wie anspruchsvoll, aber auch herausfordernd gutes Reiten ist, und wie viel Sie dabei über Ihren eigenen Körper erfahren. Guter Reitunterricht kann Ihnen helfen, ein besseres Körpergefühl zu entwickeln. Reiten fördert zudem die eigene Balance und Koordination. Das hilft Ihnen nicht nur auf dem Rücken des Pferdes, sondern auch im Alltag.
Richtig Reiten lernen
Die meisten lernen das Reiten zunächst an der Longe. Dabei bewegt sich das Pferd im Kreis um den Reitlehrer und dieser kann sowohl Gangart, als auch Tempo bestimmen. Einfache Übungen wie das seitliche Ausstrecken der Arme helfen, das Ausbalancieren auf dem Pferderücken zu lernen. Meist wird dabei im Stehen oder im Schritt begonnen. Nach und nach folgen die höheren Gangarten wie Trab und Galopp. Für Anfänger ist der Trab oft schwer auszusitzen. Das Leichttraben ist eine Möglichkeit, das Traben besser zu lernen. Zudem entlastet es auch den Pferderücken. In der Aufwärmphase des späteren Trainings wird meist leicht getrabt. Ebenso bei jungen Pferden, deren Rücken noch gestärkt werden muss. Zwei gute Möglichkeiten, die Bewegungen des Pferdes kennenzulernen, den Sitz zu schulen und sowohl Balance als auch Körpergefühl zu fördern, sind Voltigieren und Feldenkrais auf dem Pferd. Letzteres kann auch helfen, wenn sich eigene Blockaden beim Reiten nicht lösen lassen. Nach dem Unterricht an der Longe beginnen viele mit Reitun- terricht auf sogenannten „Schulpferden“. In guten Reitställen sind das ruhige, gelassene Pferde, die entsprechende Kommandos kennen und sich auch von Anfängern reiten lassen. Im Gruppenunterricht laufen die Schulpferde meist in einer bestimmten Reihenfolge hintereinander, wobei der vorderste Reiter die Abteilung, also die Reiter- Pferd-Paare, hinter sich führt. Der Reitlehrer gibt dabei Kommandos. Beispielsweise gibt er Gangarten oder Bahnfiguren (auch Hufschlagfiguren) vor. Zur Orientierung befinden sich verschiedene Buchstaben in festgelegter Reihenfolge am Rand der Halle oder des Reitplatzes. So kann der Reitlehrer seinen Schülern die Bahnfiguren durch Ansagen der Buchstaben nennen. „Durch die Länge der Bahn wechseln“ kann zum Beispiel sowohl von A nach C, als auch von C nach A geritten werden.
Warm-Up und Cool Down
Wenn Sie das erste mal in den Sattel steigen, werden Sie danach überrascht sein, dass Sie oft ohne große Anstrengung einen spürbaren Muskelkater bekommen. Da Reiten den ganzen Körper fordert, werden auch diverse Muskelgruppen angesprochen. Allein um die Balance während der Bewegung des Pferdes zu finden und sie zu behalten, leistet unser Körper entsprechende Arbeit. Vielleicht bemerken Sie nach dem Reitunterricht sogar Muskeln, von denen Sie vorher gar nichts wussten. Sie müssen also keinen Leistungssport betreiben, um nachhaltig zu trainieren. Jedoch kann es sinnvoll sein, sich entsprechend aufzuwärmen, bevor es losgeht. Eine kleine Joggingrunde, entsprechende Dehnübungen oder Übungen zur Verbesserung der Koordination und Balance sind ein gutes Warm-up. Diese Vorbereitung gehört leider nicht oft zum normalen Reitunterricht. Sprechen Sie mit dem Trainer, ob er Sie vor dem Reiten bei Aufwärmübungen anleiten kann. Wer sehr viel Stress und Anspannung aus dem Alltag mitbringt, kann sich durch Entspannungsübungen gut auf die Reitstunde vorbereiten und so unter anderem die Kommunikation mit dem Pferd und den eigenen Sitz verbessern. Nach dem Training ist es Zeit für einen Cool Down für Reiter und Pferd. Dazu können Sie beispielsweise einige Runden im Schritt am langen Zügel reiten. Das heißt Sie lassen die Zügel locker. Das Pferd kann dabei seinen Hals strecken und die Muskulatur entspannen. Zusätzlich fährt das Herz-Kreislaufsystem herunter.
Reiten als Gesundheitssport
Da beim Reiten viele Muskeln beansprucht werden, ist es für viele Menschen der ideale Gesundheitssport. Durch das Mitschwingen mit der Bewegung des Pferdes wird die Rumpfmuskulatur gefordert. Zudem muss der Körper des Menschen Ausgleichsarbeit leisten, um sich an die Bewegungen anzupassen. Im Sattel gibt es keine Auszeit, denn eine lockere Grundspannung ist unerlässlich. Da das Becken der Dreh- und Angelpunkt ist, um sich dem Schwung des Pferdes anzupassen und der Oberkörper aufgerichtet sein muss, damit der Körper beim Reiten nicht gegen die Bewegung des Pferds arbeitet, werden auch die Bauchmuskeln trainiert. Beim Reiten wird die Anund Entspannung der Muskulatur auch kontrolliert eingesetzt. Zum Beispiel signalisiert das Anspannen der Rückenmuskulatur dem Pferd, in seinen Bewegungen langsamer zu werden. Besonders beim Leichttraben werden auch noch zusätzlich die Beine gefordert, da der Reiter sein Gesäß im Takt aus dem Sattel heben muss. Diese Effekte können sogar noch deutlich verstärkt werden, wenn Sie ohne Sattel reiten. So wird auch die Balance und der Gleichgewichtssinn in erhöhtem Maß gefördert. Als Anfänger reichen dabei kurze Trainingseinheiten vollkommen aus. Wichtig ist, dass Sie den Körper langsam schulen und dabei nicht vergessen, dass auch der eigene Kopf eine entscheidende Rolle spielt.