Bessere Gesundheit

Homöopathie bei Diabetes

Immer mehr Menschen schwören auf homöopathische Tropfen und Globuli. Mit ihrer Hilfe sollen im Körper Reize gesetzt werden, die die Selbstheilungskräfte aktivieren und dem Körper so helfen, zu gesunden. Aber hilft Homöopathie auch bei Diabetes? Schauen wir genauer hin. Text: Svea Golinske

Homöopathie ist ein verbreitetes alternativmedizinisches Heilverfahren, das sogar gesetzliche sowie private Krankenkassen teilweise übernehmen. Homöopathie hat den Ruf nebenwirkungsfrei und sanft zu sein und manch ein Anhänger erkennt in ihr das Potenzial, auch schwere Erkrankungen zu heilen. Grund genug zu prüfen, welche Bedeutung Homöopathie für einen Diabetiker haben kann. Doch was ist Homöopathie überhaupt? Macht ihr sanfter Ruf sie zu einer bedenkenlos einsetzbaren Medizin? Was gilt es zu beachten? Schauen wir also genauer hin.

Was ist Homöopathie?

Von dem deutschen Arzt Samuel Hahnemann im späten 18. Jahrhundert entwickelt, ist Homöopathie ein eigenständiges Heilverfahren, das im Menschen ein komplexes System sieht. Sie soll die individuelle Lebenskraft des Patienten aktivieren. Der Homöopathie liegt das Ähnlichkeitsprinzip zugrunde: Mittel, die bei Gesunden Symptome hervor-rufen, die einem Krankheitsbild ähneln, sollen einen an diesen Symptomen Erkrankten heilen. Dies erklärt auch den Namen, denn „Homöopathie“ kommt aus dem Altgriechischen und kann mit “gleichartiges Leiden” übersetzt werden.

Die homöopathische Mittelfindung

In der Homöopathie gibt es keine Krankheiten im klassischen Sinne, es gibt Symptome. Diese werden von einem klassischen Homöopathen (zertifizierte Ausbildungen brauchen etwa drei Jahre) in einem homöopathischen Nachschlagewerk – dem Repertorium – herausgesucht. Es gibt mehrere tausend homöopathische Mittel und es kommen immer neue hinzu.

Am Beginn einer homöopathischen Behandlung steht die ein- bis zweistündige Anamnese, um aus der Vielzahl möglicher Mittel das richtige herauszusuchen – eine komplexe Angelegenheit! Durch verschiedene Schritte des Repertorisierens nähert sich der Homöopath schließlich dem passenden Mittel und betrachtet dabei nicht nur eine Beschwerde, sondern den ganzen Menschen und seine individuellen Auffälligkeiten. Die schulmedizinische Art der Mittelfindung wie „Kopfschmerz gleich Aspirin und Co.“ funktioniert in der klassischen Homöopathie nicht. Pauschale Homöopathika-Empfehlungen aus Internet und Apotheke haben wenig mit klassischer Homöopathie zu tun.

Beschaffenheit und Wirkung homöopathischer Mittel

Homöopathie ist kein natürliches Heilverfahren. Homöopathische Mittel können aus allerlei Substanzen gemacht werden: Aus Pflanzen, Tierbestandteilen, Metallen und vielem mehr. Diese Ursubstanzen werden nach bestimmten Regeln verdünnt und verschüttelt. Wiederholt heißt dieser Vorgang Potenzierung. Alle homöopathischen Mittel führen die Bezeichnung der Ursubstanz (zum Beispiel Arnica) plus der Potenz (zum Beispiel D6).

Die Homöopathie geht davon aus, dass je höher eine Substanz potenziert – also verdünnt und verschüttelt – wurde, desto tiefgreifender wirkt sie. Von dem normalen Dosis-Wirkungs-Prinzip kennen wir es andersherum: Je mehr von einer Substanz eingenommen wird, desto stärker die Wirkung. So wirkt ein Schluck Wein kaum, ein Glas spürt man und nach einer Flasche tanzt man vielleicht auf dem Tisch. Anders in der Homöopathie: Es lassen sich bei hochpotenzierten Mitteln nicht einmal mehr Moleküle der Ursubstanz nachweisen. Ein Punkt, der der Homöopathie oft Kritik einbringt.

Wissenschaftlich nicht belegt – wichtig für Diabetiker!

Besonders Diabetiker, die auf überlebenswichtige Medikamente angewiesen sind, wissen, wie wichtig es ist, sich auf Wirksamkeit ihrer Insuline und Funktionalität ihrer Messgeräte verlassen zu können. Würde eine verabreichte Insulindosis zu einem kohlehydratreichen Mittagessen einmal nicht oder Tage später wirken, so bestünde akute Gefahr einer Stoffwechselentgleisung. Ebenso verhält es sich mit dem Messgerät: Zeigt es einen Wert von 350mg/dl an, hat man aber nur 120mg/dl, dann führt eine Insulininjektion zu einer Hypoglykämie.

Gerade bei chronischen Erkrankungen, bei denen tägliche Medikamentengaben lebensentscheidend sind, kann es gefährlich sein, zu experimentieren.

Homöopathie ist wissenschaftlich nicht bewiesen. So sagt der Biologe und Homöopathiekritiker Dr. Christian Weymayr: „Homöopathie ist Aberglaube. Sie ist naturwissenschaftlich unplausibel, denn sie beruht auf geistartigen Wirkkräften“- Stichwort Verdünnungsstufe bis zur Nicht-mehr-Nachweisbarkeit der Substanzen. Die positiven Erfahrungen ärztlicher sowie heilpraktischer Homöopathen und vieler Homöopathienutzer kann man aber nicht ignorieren. Sie haben Homöopathie zu einer der beliebtesten alternativen Heilmethoden in Deutschland gemacht – auch wenn immer noch die Möglichkeit besteht, dass es nur Placeboeffekte und normale Selbstheilungsprozesse sind, die tatsächlich wirken.

Was bedeutet diese Sachlage für die Möglichkeiten der Behandlung von Diabetes?

Ansatzpunkte der Homöopathie bei Diabetes

Diabetes ist nicht gleich Diabetes. Gemeinsamkeit der Diabetes-Typen ist, dass dem Körper nicht genügend Insulin zur Verfügung steht, um das Blutzuckerlevel auf einem gesunden Niveau zu halten. Während bei dem Typ-1-Diabetes in einer Autoimmunreaktion die insulinproduzierenden Betazellen der Langerhansschen Inseln in der Bauchspeicheldrüse zerstört wurden, wird bei dem Typ-2-Diabetes zwar Insulin produziert, es steht aber nicht in ausreichender Menge dort, wo es gebraucht wird, zur Verfügung. Die Unterschiede im physiologischen Verlauf sind wichtig für die Frage des möglichen Einsatzes der Homöopathie. Die Homöopathie hat einen Erfolgsanspruch, erkennt aber auch selbst ihre Grenzen überall dort, wo Gewebe nicht mehr lebt.

Diabetes heilen durch Homöopathie?

Im Falle des Typ-1-Diabetes ist die Erfahrungslage klar: Er kann mit Hilfe von Homöopathie nicht geheilt werden. „Wenn man ehrlich zu sich selbst und zu seinem Patienten ist, muss man feststellen, dass eine direkte Beeinflussung der benötigten Insulinmenge bei einem Typ-1-Diabetiker mit Hilfe der Homöopathie schwer bis unmöglich ist“ sagt Dr. Ulf Riker, Internist und Homöopath aus München. Betrachten wir die Grundlagen der Homöopathie, so zeigt sich auch warum: Im Falle eines Typ-1-Diabetes ist der relevante Teil im Körper für die Insulinproduktion zerstört. Die nach der homöopathischen Theorie aktivierbare Lebenskraft kann hier daher nicht mehr wirken.

Auch bei Typ-2-Diabetes, der nicht nur meist verhaltensindiziert entstanden, sondern hierdurch auch entscheidend verbesserbar ist, besteht eine Heilungschance nur in Verbindung mit wesentlichen Lebensstilveränderungen. Homöopathen gehen davon aus, dass eine Verbesserung der allgemeinen Konstitution durch Homöopathie sowohl bei Typ-1- als auch bei Typ-2-Diabetikern möglich ist.

Unterstützung der Diabetes-Einstellung und Vorbeugung von Folgeschäden

„Eine Stabilisierung der Werte und Vorbeugung von Folgeschäden ist sowohl bei einem Typ-1- als auch bei einem Typ-2-Diabetiker durch die Homöopathie möglich. Wichtig ist allerdings, dass Sie sich einen versierten Homöopathen suchen, der auch in Sachen Diabetes über Erfahrung verfügt“, sagt Dr. Dieter Till aus Limburg. Er ist Arzt und zählt zu den führenden Homöopathen in Fragen Diabetes und Homöopathie in Deutschland. Die Möglichkeit einer indirekten Beeinflussung der benötigten Insulinmenge durch Verbesserung des Allgemeinzustandes bewertet er positiv.

Sowohl Dr. Till als auch Dr. Riker weisen aber dringend darauf hin, dass sich Erkrankte keine falschen Hoffnungen machen mögen. So zeigen die fast 20 Jahre zurückreichenden Forschungen von Dr. Till, dass die Erfolgsbilanz in Sachen Diabetesbehandlung im Vergleich zu anderen Erkrankungen „sehr bescheiden“ ist.

Die Stabilisierung der Stoffwechsellage und dadurch die Vermeidung diabetischer Folgeschäden ist für Typ-1- und Typ-2-Diabetiker gleichermaßen von zentraler Bedeutung. Im Falle von Typ-2-Diabetikern kann Homöopathie ein höheres Erfolgspotenzial bergen, da die Betazellen nicht zerstört wurden. Auch weisen Homöopathen auf Erfolge bei der Behandlung von Folgeschäden hin. Inwieweit nun aber Homöopathie, die Psyche oder Selbstheilungskräfte wirksam sind, ist noch ungeklärt.

Der Weg zum Homöopathen

Bevor Sie sich für die Homöopathie entscheiden, bedenken Sie stets, dass die homöopathische Wirkungsweise bis dato nicht wissenschaftlich belegt werden konnte. Sie möchten der Homöopathie dennoch eine Chance geben? Dann wagen Sie zu fragen!

Achten Sie bei der Konsultation eines Homöopathen auf seine Diabeteserfahrung. Nur so können individuelle Besonderheiten, die dem Homöopathen Hinweise auf das richtige Mittel geben, von solchen, die diabetestypisch sind, unterschieden werden. Achten Sie ebenso darauf, einen zertifizierten klassischen Homöopathen aufzusuchen. Nachfragen bei klassisch homöopathisch orientierten Verbänden und deren Onlinesuche können dabei hilfreich sein (siehe Kasten). Besonders wichtig: Lebenswichtige schulmedizinische Maßnahmen sollten niemals zu Gunsten einer alternativmedizinischen Behandlung ausgelassen werden. Besprechen Sie zudem Ihre Homöopathiepläne immer auch mit Ihrem Arzt.

Ganzheitlichkeit zählt

Diabetes ist nicht nur eine Krankheit, sondern auch eine Lebensaufgabe und biopsychosozial stark beeinflusst. Das macht es besonders wichtig, ganzheitlich hinzusehen und sich bewusst zu machen, dass der eigene Körper nicht Feind, sondern Freund ist. Mehr Bewegung, Stress reduzieren und bewusster Leben – hier liegt viel Potenzial, auch ohne Globuli die Blutzuckereinstellung zu erleichtern und zu verbessern. Durch Schulmedizin und Forschung ist das Leben mit Diabetes nicht nur möglich geworden, es wird immer leichter. Die wissenschaftlichen Beweise der Homöopathie aber fehlen. Dennoch ist das zeitintensive Vorgehen wie bei einer klassisch homöopathischen Anamnese, auch ohne Mittelgaben betrachtet, ein positives Beispiel für eine sprechende und patientennahe Medizin, wie sie auch viele Diabetologen in ausführlichen Gespräche mit ihren Patienten verfolgen.

Und: Es lohnt sich, immer wieder zu prüfen, welche Unterstützung alternative Heilverfahren für die Diabetes-Behandlung bieten, denn in der Naturheilkunde gibt es hierfür auch nachgewiesen sinnvolle Verfahren.