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Hypos & Typ 2

Hypoglykämien können Menschen mit Typ-2- Diabetes erheblich belasten. Das gilt auch für leichte bzw. nächtliche Unterzuckerungen, die das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit der Betroffenen erheblich beeinträchtigen können. Schutz vor Unterzuckerungen bietet u.a. eine gute Blutzuckerkontrolle.

Theresa ist 60 Jahre alt, hat seit 8 Jahren Typ-2-Diabetes und spritzt seit zwei Jahren abends ein Basalinsulin. Eigentlich kommt sie gut damit zurecht, nur morgens macht ihr das Aufwachen häufig Probleme, sie fühlt sich zerschlagen und müde. An diesen Tagen fällt es ihr schwer, sich auf ihre Arbeit als Buchhalterin zu konzentrieren. Bisher dachte Theresa, das liege einfach am Alter und sie hoffte, die Jahre bis zur Rente irgendwie durchhalten zu können. Dass hinter ihren Problemen nächtliche Hypoglykämien stecken könnten – daran hat Theresa nicht gedacht.

Sprechen Sie mit Ihrem Arzt!

Der Arzt war es, der bei einem Routinetermin dem Problem von Theresa auf die Spur kam: Nachdem sie von ihren „Schlafstörungen“ berichtet hatte, schöpfte er Verdacht – und tatsächlich, nächtliche Blutzuckermessungen bestätigten: Bei Theresa kommt es während der Nacht zu Unterzuckerungen. Der Arzt hat sie deshalb auf ein anderes Basalin schädisulin umgestellt. Seitdem schläft Theresa deutlich besser, ist morgens gut ausgeruht und freut sich auf die Arbeit im Büro.

Dies macht deutlich: Um mögliche Probleme mit Unterzuckerungen in den Griff zu bekommen, ist ein Gespräch mit dem behandelnden Arzt unverzichtbar. Thematisieren Sie dabei auch Beschwerden, die in Ihren Augen nichts mit Ihrem Diabetes zu tun Basalinhaben, also z.B. nächtliches Schwitzen oder das Gefühl, dass Sie den Anforderungen im Beruf nicht wirklich gerecht werden können. Der Arzt kann mit seinem Wissen und durch gezieltes Nachfragen die richtigen Schlüsse ziehen und gemeinsam mit Ihnen nach einer Lösung suchen.

Hypos: häufiger als angenommen

„Unterzuckerungen sind bei Menschen mit Typ-2-Diabetes deutlich häufiger als bisher angenommen. Das gilt ganz besonders für nächtliche Unterzuckerungen“, weiß Professor Dr. Werner Kern, Ulm, und ergänzt: „Hypoglykämien – auch wenn sie nicht so schwer sind, dass der Patient fremde Hilfe benötigt, können das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigen. So sind die Betroffenen nach einer nächtlichen Hypoglykämie am nächsten Tag oft nicht leistungsfähig bzw. nicht belastbar und viele können nicht zur Arbeit gehen.“

Hypoglykämien können weitere ernste Konsequenzen haben. Das gilt insbesondere für schwere Unterzuckerungen, bei denen der Rettungsdienst gerufen werden muss. Diese sind aber bei Menschen mit Typ-2-Diabetes vergleichsweise selten. Doch auch gering ausgeprägte Unterzuckerungen können Schaden anrichten. Der Diabetologe betont: „Es mehren sich Hinweise, dass auch unbemerkte und nächtliche Unterzuckerungen Herz-Rhythmusstörungen begünstigen und das Herz-Kreislauf-System schädi    gen können. Man ist sich inzwischen auch sicher, dass es Verbindungen zwischen kognitiven Defiziten (beeinträchtigte geistige Leistungsfähigkeit) bzw. einer Demenz und häufigen Hypoglykämien gibt.“

Die Insulindosis reduzieren ist keine Lösung

Aus Angst vor nächtlichen Hypoglykämien verändern viele Patienten eigenmächtig ihren Behandlungsplan und reduzieren beispielsweise die Insulindosis. So wie Hans, Abteilungsleiter in einem Technologieunternehmen, der seit ein paar Jahren Insulin spritzt und der schon viel von Unterzuckerungen gehört hat. An Tagen, an denen er am nächsten Morgen seine Mitarbeiter schulen muss, will Hans möglichst ganz auf Nummer sicher und spritzt am Vorabend weniger Basalinsulin als sein Arzt verordnet hat. So hofft er, am Morgen wirklich fit zu sein. Da Hans seine Mitarbeiter häufig schulen muss, ist es kein Wunder, dass seine Blutzuckereinstellung über den Zielwerten liegt. „Mit diesem Vorgehen nehmen die Patienten eine schlechtere Einstellung und langfristig ein erhöhtes Risiko für Spätkomplikationen wie z.B. Herzinfarkt oder Schlaganfall in Kauf“, warnt Prof. Kern eindringlich. „Doch damit nicht genug: Insbesondere bei schlechter Blutzuckereinstellung bzw. bei vermehrten Schwankungen des Blutzuckerspiegels, sind Unterzuckerungen häufiger als bei guter Stoffwechselkontrolle.“

Eine andere Strategie hat Susanne gegen zu niedrige Blutzuckerspiegel entwickelt: Sie versucht dem Problem mit regelmäßigen Zwischen- und Spätmahlzeiten beizukommen. Da Susanne wie viele andere Menschen mit Typ-2-Diabetes ohnehin Gewichtsprobleme hat, ist diese keine so gute Idee: Mit der zusätzlichen Nahrungsaufnahme ist ihr Body Mass Index (BMI) im letzten Jahr weiter angestiegen.

Dann eben kein Insulin!

Weil sie glauben, dass Unterzuckerungen nur durch Insulin hervorgerufen werden, stehen viele Menschen mit Diabetes einer Behandlung mit Insulin skeptisch gegenüber. Das stimmt so aber nicht ganz, denn auch „Zuckertabletten“ können Hypoglykämien auslösen. Besonders häufig treten Unterzuckerungen unter Wirkstoffen auf, die zu den so genannten Sulfonylharnstoffen gehören – einer Substanzgruppe, die es schon sehr lange gibt und die oft zur Behandlung von Typ- 2-Diabetes eingesetzt wird. Es kann also sein, dass Ihr Arzt im Falle von Unterzuckerungsproblemen nichts an der Insulingabe verändert, sondern nur die „Zuckertabletten“ austauscht und auf diese Weise erreicht, dass bei Ihnen weniger Hypoglykämien auftreten.

Prof. Kern erklärt: „Die beste Strategie um Unterzuckerungen zu vermeiden, ist es, Wirkstoffe zur Kontrolle des Blutzuckerspiegels zu verwenden, die kein oder nur ein geringes Risiko für Unterzuckerungen haben.“ Dies entspricht auch der Leitlinie zur Therapie von Menschen mit Typ-2- Diabetes – eine Art Handlungsanweisung für Ärzte – die vorsieht, dass solche Behandlungsoptionen bevorzugt werden sollen, die kein bzw. nur ein sehr niedriges Hypoglykämierisiko besitzen.

Knowledge is power

Aber auch Sie selbst können viel dazu beitragen, Ihr Risiko für Unterzuckerungen zu vermindern. So sind gut informierte Patienten weniger gefährdet eine Hypoglykämie zu erleiden, als Patienten mit geringem Wissen über ihre Erkrankung. Wenn Sie die Zusammenhänge zwischen Lebensstil, blutzuckersenkenden Arzneimitteln und Hypoglykämien kennen, können Sie kritische Situationen vermeiden bzw. rasch richtig reagieren und gegensteuern.

Besonders empfehlenswert sind Diabetesschulungen, die sich speziell mit diesem Thema auseinandersetzen. Im Nachhinein ärgert sich Berthold, dass er nicht schon vor Jahren an einer Diabetesschulung teilgenommen hat: Seit dem Kurs ist die Zahl seiner Unterzuckerungen deutlich zurückgegangen. So war für Berthold beispielsweise neu, dass körperliche Aktivität und Alkohol nächtliche Hypoglykämien verursachen können. Alkohol reduziert außerdem die Wahrnehmung von ersten Anzeichen einer Hypoglykämie und verhindert so, dass der Patient selbst rechtzeitig gegensteuert. Seit Berthold das weiß, trinkt er zuerst ein kühles alkoholfreies Bier, bevor er sich ein (kleines) Glas seines Lieblingsweines gönnt. Und beim Wandern hat er jetzt immer etwas Traubenzucker für den Notfall dabei   

Gut informierte Patienten sind weniger gefährdet eine Hypoglykämie zu erleiden. Wer die Zusammenhänge zwischen Lebensstil, blutzuckersenkenden Arzneimitteln und Hypoglykämien kennt, ist deutlich im Vorteil.