Happy durch Bewegung
Wir alle wissen, dass Bewegung einen positiven Einfluss auf unseren Körper hat. Gerade für Diabetiker ist Bewegung mehr als nur ein netter Zeitvertreib. Die aktuelle Leitlinie der Deutschen Diabetes-Gesellschaft empfiehlt Diabetikern sogar ein auf sie abgestimmtes Bewegungsprogramm.
Zahlreiche Studien belegen, dass ausreichende und vor allem regelmäßige körperliche Aktivität unseren lebenswichtigen 24-Stunden- Dienstleister „Herz“ stärkt. Sport mindert das Risiko von Erkrankungen unseres komplexen Herzkreislaufsystems, lässt unsere Muskulatur drahtig erscheinen und regt den Stoffwechsel an. Wir beugen mit regelmäßiger Bewegung einem schmerzenden Rücken vor, sorgen dafür, dass wir nicht „aus der Form gehen“ und dass der Fettanteil in unserem Körper ein gesundes Maß hat. Doch Bewegung leistet noch viel mehr. Was Sport mit unserem Körper macht, ist wirklich verblüffend.
Wer es regelmäßig erlebt, möchte es nicht mehr missen: Sport beschert gleichsam einen Rausch von innen, und das ganz ohne Promille. „Zum Teil entsteht dieses Glücksgefühl durch die Ausschüttung von Endorphinen, zu der es aufgrund der Bewegung kommt“, weiß Prim. Univ. Prof. Dr. Dr. Josef Niebauer, Vorstand des Universitätsinstituts für präventive und rehabilitative Sportmedizin in Salzburg. Endorphine sind Hormone, die uns in einen rauschhaften Zustand versetzen, damit wir die Schmerzen nicht wahrnehmen, die durch die Reizung verschiedener Nerven entstehen. Vor allem das Glücksgefühl der Läufer, das sogenannte Runner’s High, ist gut erforscht. So weiß man, dass es nicht nötig ist, einen Marathon zu laufen, um das Hoch zu erleben: Messungen an der Technischen Universität München haben ergeben, dass die Endorphin- Konzentration im Blut schon nach einer Stunde langsamen Laufens erhöht ist. Noch schneller führt der Weg zum Jogger-Glück allerdings, wenn man schneller läuft.
Freilich zählen auch andere Sportarten zu den gesunden Freuden des Lebens – und das nicht nur aufgrund der Endorphin-Ausschüttung: Zur Wonne wird etwa auch das Körpergefühl während der Bewegung oder – wenn man im Freien sportelt – die Wahrnehmung der Natur mit allen Sinnen.
Kick fürs Selbstbewusstsein
Auf Bäume klettern, von einem Beckenrand zum anderen tauchen, auf dem Fahrrad balancieren: Schon kleine Kinder zeigen gerne, was sie alles können. „Lobt man die Kleinen dann dafür, genießen sie das, und man kann förmlich sehen, wie ihr Selbstbewusstsein wächst“, umschreibt Niebauer einen weiteren Genussfaktor von Sport. Auch als Erwachsener könne man sich über körperliche Aktivität einen Kick fürs Selbstbewusstsein holen. Besonders schnell in den Genuss dieses Benefits kommt man durch Sportarten, bei denen man selbst kleine Leistungssteigerungen gut messen kann (beispielsweise Laufen, Radfahren, Schwimmen).
Schwung fürs Gehirn
Sich aufraffen, die Bewegungen richtig ausführen und alle Wahrnehmungen so verarbeiten, dass kein Missgeschick passiert: „Wer Sport betreibt, gibt dem Gehirn mehr Aufgaben auf als jemand, der daheim auf der Couch sitzt, auch wenn der dort Kreuzworträtsel löst“, weiß der Sportmediziner. Bei Teamsportarten wie Fuß- oder Volleyball kommt noch die Arbeit an der Verständigung mit den Sportkollegen hinzu – eine weitere Fitnessübung für die kleinen grauen Zellen.
Dass das Hirn umso besser in Schwung ist, je öfter es fürs Sporteln gebraucht wird, ist ebenfalls wissenschaftlich erwiesen. Forschungen an der Heinrich-Heine- Universität in Düsseldorf etwa haben gezeigt, dass junge Erwachsene, die begannen, regelmäßig zu joggen, bereits nach einigen Wochen ein besseres Gedächtnis hatten. Dass Sport die Leistungsfähigkeit des Gehirns von Senioren deutlich steigert, stellten Forscher der International Jacobs University in Bremen fest. Und laut Forschern der britischen Cardiff University wird durch Sport zudem das Demenzrisiko gesenkt. Die Erklärung: Durch die Bewegung werden die Nervenzellen des Gehirns besser durchblutet und stärker mit Nährstoffen versorgt. Dadurch bleiben sie länger gesund.
Lösung für Probleme
Sportliche Aktivitäten, die wenig Konzentration erfordern, eignen sich auch gut dazu, Probleme zu lösen, die etwa im Job aufgetaucht sind. „Während der immer gleichen Laufschritte beim Nordic Walking oder der wiederkehrenden Arm- und Beinschläge beim Schwimmen kann man hervorragend in sich gehen, sich gedanklich auf ein Thema konzentrieren und Lösungen überlegen“, schwärmt der Sportarzt. Mittelund langfristig wirken sich sportliche Aktivitäten sogar positiv auf die Problemlösungskompetenz aus. Darauf deutet eine Studie mit 5000 Elf- bis 16-Jährigen an der schottischen Universität Dundee hin. Jene, die einige Jahre lang mehr Sport als ihre Schulkollegen betrieben, hatten danach in Mathematik und Naturwissenschaften bessere Noten.
Mittel gegen Schwermut
Von Bluthochdruck bis Diabetes, von Rückenschmerzen bis Krebs: Dass Sport ein wirksames Mittel gegen körperliche Leiden aller Art ist, haben inzwischen viele Studien bewiesen. Forschern der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie und des Universitätsinstituts für Sportmedizin in Salzburg gelang im Vorjahr darüber hinaus der Nachweis, dass Sport bei Depressionen hilft (MEDIZIN populär hat berichtet): Depressive Menschen, die einen Selbstmordversuch hinter sich hatten, wanderten über neun Wochen lang regelmäßig in der Gruppe und mit Betreuern in die Berge. Danach gaben sie an, sich deutlich weniger schwermütig und hoffnungslos zu fühlen als davor. „Auch dieser Effekt hängt damit zusammen, dass während der Wanderungen allein durch die Bewegung und die Sinneseindrücke Glückshormone ausgeschüttet werden“, fasst Niebauer das Ergebnis zusammen. Sport als Therapie gegen Depressionen funktioniere allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen. „Es muss ein Programm mit Thera- peuten und Trainern geben, die gut motivieren können. Denn Depressive sind schwer zu Sport zu bewegen, allein können sie sich schon gar nicht dazu aufraffen“, so Niebauer.
Schärfe für die Sinne
„Jede Sportart beansprucht unsere Sinne in hohem Ausmaß“, sagt Niebauer, egal ob Yoga oder Pilates, Karate oder Taekwondo, Nordic Walking oder Mountainbiken. Wer sich draußen in der Natur bewegt, nimmt Geräusche, Gerüche, Bilder und Bodenbeschaffenheit intensiv wahr. Wer Kampfsport betreibt, muss sich auf den Gegner und zugleich auf sich selbst konzentrieren. Und bei Pilates und Yoga besinnt man sich auf Atmung, Körperhaltungen und die Grenzen des eigenen Bewegungsradius. Dass die Sinne aber auch schon durch die bloße Bewegung geschärft werden, haben Forscher von der Deutschen Sporthochschule Köln herausgefunden. Sie zeigten, dass körperliche Aktivität durch die verstärkte Durchblutung des Körpers die Rezeptoren unserer fünf Sinne empfänglicher für Reize macht.
Ventil bei Stress
Wer abends nach der Arbeit schlecht abschalten kann und sich sogar im Bett mit Gedanken an den Job quält, sollte einmal probieren, zwischen Arbeitsschluss und Abendessen eine Runde Sport einzulegen: „Um Dampf abzulassen und sich entspannen zu können, sind Sportarten mit vielen gleichförmigen Wiederholungen ideal“, erklärt Niebauer. Darum ist z. B. Radfahren ein besonders gutes Ventil bei Stress; weil die Bewegung automatisiert ist und man nicht mehr darüber nachdenken muss, hat der Kopf Pause und wird endlich frei.
Wer regelmäßig Sport betreibt, schafft sich darüber hinaus einen Rhythmus zwischen Anspannung und Entspannung. Dieser ist nicht nur notwendig, um den Körper gesund zu erhalten, „sondern dient auch dem geistig-seelischen Wohlbefinden“, weiß Niebauer. Nebenher sorgt regelmäßig betriebener Sport auch noch für andere gesunde Rhythmen im Leben: der Balance zwischen Alleinsein und Geselligkeit, zwischen Aktivität und Ruhe.