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Diabetes und Lebensmittelunverträglichkeiten

Bauchschmerzen, Migräne, Schlafstörungen oder Erschöpfung können auf eine Intoleranz hinweisen. Wir zeigen, auf welche Symptome Sie bei Lebensmittelunverträglichkeiten achten müssen und was eine spezielle Ernährungsumstellung für die Diabetes-Therapie bedeutet. Text: Aline Müller

Hippokrates, der wohl bekannteste Arzt der Antike, berichtete in seinen medizinischen Schriften über Patienten, die nach dem Genuss von Ziegenmilch und -käse an Atemnot und Hautausschlägen litten. Die Niederschriften des 460 v. Chr. auf der griechischen Insel Kos geborenen Mediziners sind vermutlich die ersten dokumentierten Aufzeichnungen frühgeschichtlicher Fälle von Unverträglichkeiten gegenüber Lebensmitteln. Und auch Untersuchungen des Erbguts der Eiszeit-Mumie Ötzi, deren Todeszeitpunkt auf 3359 bis 3105 v. Chr. geschätzt wird, deuten darauf hin, dass der Mann im Eis keine Milch vertrug.

Lebensmittelunverträglichkeiten und -allergien sind also keine modernen Krankheitsbilder, doch haben die Kenntnisse darüber erst Mitte des letzten Jahrhunderts Einzug in die Arztpraxen gefunden. Dabei sind die Ursachen für allergische Reaktionen trotz intensiver Forschung noch nicht vollkommen geklärt. Eine entscheidende Rolle scheinen neben der erblichen Veranlagung vor allem Umwelteinflüsse zu spielen.

Echte Allergien sind selten

Auch wenn immer mehr Menschen glauben, an einer Lebensmittelallergie zu leiden, sind echte Allergien selten. Meist handelt es sich um sogenannte Lebensmittelintoleranzen, die in den letzten Jahren aufgrund der verbesserten Testverfahren immer häufiger diagnostiziert werden. Dennoch kann eine Lebensmittelintoleranz mit typischen Allergiesymptomen wie Ausschlägen oder juckenden Augen einhergehen. Die Unverträglichkeit kann angeboren oder erworben sein. Dazu gehören zum Beispiel die Laktose-, Histamin-, und Fruktoseintoleranz. So löst ein Mangel des Enzyms Laktase, das für den Abbau des Milchzuckers verantwortlich ist, die Laktoseintoleranz aus. Betroffene mit Laktasemangel vertragen daher keine Milch und aus ihr hergestellte Erzeugnisse. Außerdem können Intoleranzen durch sogenannte biogene Amine – ein natürlicher Inhaltsstoff in vielen Lebensmitteln – hervorgerufen werden. Der bekannteste Vertreter ist Histamin.

Diabetes und Lebensmittelunverträglichkeiten

Menschen mit Diabetes sind generell nicht häufiger als gesunde Menschen von Lebensmittelunverträglichkeiten betroffen, bestätigt Astrid Tombek, die leitende Ökotrophologin und Diabetesberaterin der Klinik Bad Mergentheim, betont jedoch die spezielle Rolle der Zöliakie: „Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen Typ-1-Diabetes und Zöliakie. Beides sind Autoimmunerkrankungen und kommen wie alle Autoimmunerkrankungen zusammen gehäuft vor.“ Bei einer Zöliakie könne, so die Expertin, sekundär noch eine Laktoseunverträglichkeit auftreten, die sich aber wieder gebe, sobald die Entzündung abheile.

Die Zusammenhänge zwischen Diabetes und weiteren Autoimmunerkrankungen hat eine holländische Studie genauer untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass bei etwa vier bis neun Prozent der Typ-1-Diabetiker auch eine Zöliakie festgestellt wird. Grund der engen Assoziation sei die genetische Grundlage beider Erkrankungen. Vielen Typ-1-Diabetikern werde deshalb zu routinemäßigen Zöliakie-Untersuchungen geraten.

Blutzuckerschwankungen als Hinweis

Eine Zöliakie oder eine Lebensmittelintoleranz festzustellen ist nicht einfach, da die Symptome vielfältig und oft nicht eindeutig sind. Dass erst mehr oder weniger starke Probleme in der Diabetestherapie zu einer Diagnose führen, ist nicht selten. „Ich litt zunächst unter starken Konzentrations- und Schlafstörungen. Hinzu kamen eine ständige Müdigkeit und Kreislaufprobleme“, berichtet Annette J. „Ich ließ mein Diabetesmanagement immer mehr schleifen, hatte oft starke Blutzuckerschwankungen und keine Kraft mehr, mich um alles zu kümmern.“ Besonders schlimm wurde es, als die junge Frau mit Typ-1-Diabetes ständig Bauchschmerzen bekam, zum Teil mit Übelkeit und Erbrechen und daraufhin häufig stark unterzuckerte.

Einmal wurde sie sogar bewusstlos, weil sie es nicht mehr schaffte, etwas zu essen. „Mehrere Ärzte fanden zunächst keine Ursache für die Bauchschmerzen und die Schlafstörungen. Zum Teil wurden meine Symptome als psychosomatische Reaktion auf Stress abgetan. Ich war selber überrascht, als eine Ärztin schließlich durch einen Wasserstoffatemtest die Laktoseintoleranz feststellte. Ich hätte nicht gedacht, dass schon die Müdigkeit und meine Kreislaufbeschwerden ein Hinweis auf die Unverträglichkeit waren.“

Doppelte Autoimmunerkrankung

Auch Jonas Schiebens Diabetes-Therapie gerät aufgrund von Lebensmittelunverträglichkeiten aus dem Gleichgewicht: Er war gerade etwas über zwei Jahre alt, als bei ihm Diabetes Typ 1 festgestellt wurde. Seine Mutter Katharina Schieben erinnert sich noch genau an die Zeit: „Jonas war im Kindergarten zur Eingewöhnung. Er ist eigentlich ein sehr aktives und aufgeschlossenes Kind, doch im Kindergarten hatte er nur noch in der Ecke gesessen und geweint.“ Seine Diabetesbehandlung gestaltet sich schwierig. Immer wieder hat Jonas schwankende Werte, zum Teil sinkt er von über 500mg/dl auf 33mg/dl in kürzester Zeit. Im Diabeteszentrum Bad Mergentheim sucht seine Mutter Hilfe.

Ein Blutbild gibt schließlich Aufschluss: „Vier Tage nach der Blutentnahme teilte uns unsere Diabetologin mit, dass Jonas Antikörper bezüglich der Zöliakie stark erhöht seien“, sagt Katharina Schieben. „Wir mussten zeitnah ins Krankenhaus um die Zöliakie durch eine Dünndarmbiopsie sicherzustellen“ Die Untersuchung bestätigte die Diagnose. Stephanie Baas, die Fachmedizinische Beraterin der Deutschen Zöliakie Gesellschaft e.V. (DZG) in Stuttgart erklärt, warum die Zöliakie den Stoffwechsel aus dem Gleichgewicht bringt: „Die gestörte Darmschleimhaut kann die Kohlenhydrate aus der Nahrung nicht so gut aufnehmen. Erholt sich die Schleimhaut, im Rahmen einer glutenfreien Ernährung, verbessert sich auch die Kohlenhydrataufnahme und es kann in Folge zu einem erhöhten Insulinbedarf kommen.“

Hilfe von Experten

Betroffene sind auf eine gute Betreuung durch ein Diabetesteam bestehend aus Diabetologen und Ernährungsberatern, angewiesen. Generell raten unsere Expertinnen zu einer Ernährungsberatung bei Lebensmittelintoleranzen. „Problematisch finde ich vor allem, wenn gerade Typ-2-Diabetiker zusätzlich eine Allergie auf Obst und Gemüse haben. Da bleiben oft nur die kalorienhaltigen Lebensmittel“, sagt Astrid Tombek.

Außerdem sei es gerade für Kinder mit Diabetes nicht einfach, sich in der Auswahl der Lebensmittel zusätzlich einschränken zu müssen. Hier brauchen auch die Eltern fachkundige Hilfe. Katharina Schieben ließ sich deshalb von einer Ernährungsberaterin schulen. „Für Jonas ist die Zöliakie schlimmer als der Diabetes, da er wirklich auf verschiedene Nahrungsmittel verzichten muss. Er ist oft wütend und traurig und spricht auch kaum darüber“, erzählt Katharina Schieben. Dennoch meistern Mutter und Sohn die Situation mit all ihren Kräften. Ein Vorteil ist, dass spezielle Lebensmittel ohne Laktose oder Gluten heute keine Seltenheit mehr sind. Viele Supermarktketten führen Alternativen von glutenfreien Mehl und Mehlmischungen über Brot bis hin zu Süßigkeiten. Dabei werden Reis, Hirse, Amaranth, Mais und Buchweizen verwendet. Auch laktosefreie Produkte oder Ersatzlebensmittel von Hafermilch bis Sojajoghurt sind in fast jedem Lebensmittelladen zu finden. Hier heißt es ausprobieren was schmeckt und funktioniert.