Diabetes im Wechsel
Das Risiko für die Entstehung eines Typ-1- und eines Typ-2-Diabetes mellitus steigt mit zunehmendem Alter. Doch wie wirken sich die Wechseljahre und die damit einhergehenden hormonellen Veränderungen auf das Diabetes-Risiko aus?
Was sind die Wechseljahre?
Als „Wechseljahre“ wird der Zeitraum im Leben einer Frau bezeichnet, in der es zu komplexen Hormonveränderungen im gesamten Regelkreis von Gehirn (besonders des Hypothalamus), der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) und der Eierstöcke (Ovarien) im Körper einer Frau kommt. Im Laufe der Zeit lässt die Funktion der Eierstöcke langsam nach. Die dort gebildeten Geschlechtshormone (Östrogen und das Gelbkörperhormon Progesteron) wirken auf viele Organe. Die letzte Blutung wird als Menopause bezeichnet. Im Durchschnitt tritt sie mit 52 Jahren ein. Die Jahre vor dieser letzten Blutung, in der bereits Zyklusschwankungen und Beschwerden vorkommen, sowie das erste Jahr nach der letzten Blutung nennt man Perimenopause. Diese Phase kann bis zu zehn Jahre dauern und äußerst „wechselhaft“ sein. 12 Monate nach der letzten Periodenblutung beginnt die Postmenopause.
Welche Beschwerden können auftreten?
Nicht alleine der landläufig genannte „Hormonmangel“ ist ursächlich für viele Beschwerden. Bereits vor der letzten Regelblutung, also in den ersten Jahren der Perimenopause, treten erhebliche Schwankungen der Geschlechtshormone mit zum Teil starkem Anstieg und plötzlichem Abfall auf und spielen für zahlreiche Probleme eine entscheidende Rolle. Der älter werdende Eierstock produziert aufgrund von Störungen der hormonellen Regelkreise zunächst oft zu viel Östrogen. Dies kann zu Blutungsstörungen, Wassereinlagerungen in den Körper und Brustspannen führen. Der plötzliche und starke Abfall der zunächst hohen Östrogenwerte zum Ende des Zyklus führt oft zu Hitzewallungen und Schweißausbrüchen. Obwohl deutlich weniger Eisprünge stattfinden, kann man in der Perimenopause schwanger werden. Der Zeitpunkt des Eisprungs ist viel weniger berechenbar und kann sogar während der Menstruation auftreten. In den letzten Jahren vor der Menopause finden Eisprünge immer seltener statt. Eibläschen (Follikel) in den Eierstöcken, die nicht springen, können sich dann zu perimenopausalen Zysten entwickeln. Meist sind diese harmlos und bilden sich innerhalb von 6-12 Wochen von alleine zurück. Gegen Ende der Perimenopause und in der darauf folgenden Postmenopause kann es dann durch einen relativen Mangel an Östrogen zu Trockenheit der Schleimhäute im Urogenitalbereich kommen. Dies kann auch zu vermehrten Harnwegs- oder Scheideninfektionen führen. Ebenso werden häufig Mund- und Augentrockenheit beklagt. Die stimmungsstabilisierende Wirkung von Östrogen fällt in der späten Periund der Postmenopause weg, was Nervosität, Reizbarkeit und Stimmungsschwankungen zur Folge haben kann. Deutlich früher als das Östrogen nimmt das Gelbkörperhormon Progesteron ab. Folgen können u.a. Schlafstörungen und Gewichtszunahme sein. Östrogen- und Progesteronmangel begünstigen den Knochenabbau und können zu einer verminderten Knochendichte und Osteoporose führen. Wechselwirkungen zwischen Wechseljahren und Diabetes Ab dem 35. Lebensjahr nimmt der Kalorienbedarf des Körpers ab, die Essgewohnheiten ändern sich jedoch nicht. So kommt es bei vielen Frauen zur Gewichtszunahme. Um die Menopause verändert sich der Körperbau zusätzlich, der Anteil an Körperfett steigt, insbesondere das Bauchfett nimmt zu. Gleichzeitig nimmt die Muskelmasse häufig ab. Dies führt zu einer gesteigerten Insulinresistenz und zu Störungen der Glukoseverwertung. Diese negativen Auswirkungen auf die Stoffwechsellage lassen sich am ehesten durch regelmäßige körperliche Aktivität und eine ausgewogene Ernährung eindämmen. Das Risiko für die Entstehung eines Typ-1- und eines Typ-2-Diabetes mellitus steigt mit zunehmendem Alter. Wie die Wechseljahre und die damit einhergehenden hormonellen Veränderungen das Diabetes-Risiko direkt beeinflussen ist bislang unklar. Das körpereigene Östrogen hat positive Auswirkungen auf die Ausschüttung und Wirksamkeit von Insulin. Daneben beeinflusst es den Energieumsatz des Körpers und die Fettverteilung. Mit dem Rückgang der Östrogenausschüttung in der Postmenopause gehen diese Östrogeneffekte verloren. Studien zufolge treten die Wechseljahre bei Frauen mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes einige Jahre früher ein als bei Frauen ohne Diabetes. Sehr selten kommt es bei jungen Frauen mit Typ-1-Diabetes durch autoimmune Vorgänge zu einem Eintritt der Wechseljahre vor dem 40. Lebensjahr. Die Einstellung eines Diabetes stellt Patientinnen und behandelnden Arzt gerade in der Peri- und Postmenopause vor besondere Herausforderungen. Schwankende Hormonspiegel und damit einhergehende Schwankungen der Insulinempfindlichkeit machen häufigere Blutzuckerkontrollen und eine regelmäßige Anpassung der Diabetestherapie notwendig. Der zeitweise sprunghafte Anstieg der Östrogene hat eine verbesserte Insulinempfindlichkeit zur Folge, erhöhte Werte des Gelbkörperhormons Progesteron haben gegenteilige Wirkungen. Ob sich Wechseljahresbeschwerden bei Frauen mit und ohne Diabetes unterscheiden, wurde bislang nicht systematisch untersucht. Es wird jedoch berichtet, dass es Frauen mit Diabetes gerade zu Beginn der Wechseljahre häufig schwer fällt, Wechseljahresbeschwerden wie Hitzewallungen, Herzrasen oder Schweißausbrüche von Hypoglykämie- Symptomen zu unterscheiden. Das kann insbesondere dann zu Problemen führen, wenn gewohnheitsmäßig in solchen Situationen zur Vermeidung einer Hypoglykämie die Nahrungszufuhr gesteigert wird, obwohl es sich eigentlich um Wechseljahressymptome handelt. Dieses Verhalten kann über die Zeit zu Hyperglykämie- Neigung und Gewichtszunahme führen. Zur besseren Unterscheidung zwischen Wechseljahresbeschwerden und Hypoglykämiesymptomen sollten Frauen gerade zu Beginn der Wechseljahre häufigere Blutzuckermessungen durchführen. Frauen mit Diabetes klagen unabhängig vom Menopausenstatus häufiger über vaginale Trockenheit und Libidoverlust. Diese Beschwerden können in den Wechseljahren zunehmen.
Wechseljahresbeschwerden – was kann man tun?
Etwa zwei Drittel aller Frauen haben stärkere Wechseljahresbeschwerden, gegen die sie etwas unternehmen möchten. Da diese Beschwerden auch andere Ursachen haben können, sollten Frauen vor dem Beginn einer Therapie stets ärztlich untersucht werden. Zur Linderung der Beschwerden können betroffene Frauen selbst einiges beitragen. So wirken sich regelmäßige Bewegung an der frischen Luft, Verzicht auf Koffein, Alkohol und scharfe Speisen oder Entspannungsverfahren wie Muskelrelaxation nach Jacobsen oder Yoga positiv auf viele Wechseljahresbeschwerden aus. Oft helfen pflanzliche Präparate wie Johanniskraut, Cimifuga racemosa, Phytoöstrogene oder Salbeiextrakte oder auch die Einnahme von Tocopherol (Vitamin E) gegen klimakterische Symptome. Bei ca. einem Drittel aller Frauen verschaffen die genannten nicht-medikamentösen Maßnahmen keine ausreichende Linderung der Beschwerden. In einem solchen Fall kann eine richtig gewählte Hormontherapie das Ausmaß und die Häufigkeit von Wechseljahresbeschwerden um 80 Prozent vermindern. Verschiedene Östrogen- und Gestagenpräparate stehen in Form von Tabletten, Gel oder Pflaster zur Verfügung. Die Hormontherapie sollte individuell auf jede Frau, ihre Beschwerden und Risikofaktoren abgestimmt werden. Viele Frauen haben Angst vor den Risiken und Nebenwirkungen einer Hormontherapie. Heute weiß man, dass bei Gesunden das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen oder Brustkrebs unter anderem abhängig davon ist, wann eine Hormontherapie begonnen wird: Das Brutkrebs- Risiko ist niedriger, wenn erst mehrere Jahre nach der letzten Periode mit Hormonen begonnen wird. Für den Schutz von Herz und Gefäßen hoffte man, es sei „je früher desto besser“, mit Hormontherapie zu beginnen. Über 5 und 7 Jahre hinweg waren bei Frauen unter 60 Jahren koronare Gefäßerkrankungen und Herzinfarkte seltener aufgetreten, wenn sie Hormone einnahmen.
Leider gilt dies nicht für das – sehr geringe – Risiko für Schlaganfall (hier ist zu hoher Blutdruck ein starker Risikofaktor). Eine qualitativ gute (prospektive) Studie namens KEEPS (Kronos Early Estrogen Prevention Study) fand bei gesunden Frauen, die unmittelbar nach der Menopause mit Hormonen begonnen hatten, allerdings nach 4 Jahren keine signifikante Verlangsamung von Gefäßverkalkung bei Frauen.
Darmkrebs tritt unter einer Gestagen- haltigen Hormontherapie seltener auf. Auf die Knochengesundheit wirkt sich eine Hormontherapie positiv aus und schützt so vor der Entstehung von Osteoporose. Bis zum Alter von 60 Jahren überwiegt für viele Frauen der Nutzen das Risiko durch eine Hormontherapie. Dennoch muss die Indikation und die Auswahl der Präparate nach dem individuellen Risikoprofil getroffen werden. Wie bei allen Frauen muss auch bei Frauen mit Diabetes – insbesondere bei unzureichender Blutzuckerkontrolle – das individuelle Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen berücksichtigt und gegen den Nutzen durch die Therapie abgewogen werden. Risikoarm und trotzdem hilfreich kann eine lokale vaginale Therapie mit einem sehr schwach wirkenden Östrogen sein, dem Östriol, das zur Behandlung von Scheidentrockenheit, Brennen, Juckreiz, leichter Blasenschwäche oder häufigen Infektionen hilfreich sein kann.
Einfluss einer Hormontherapie auf den Diabetes
Große Studien haben gezeigt, dass das Risiko für die Entstehung eines Typ-1-Diabetes bei postmenopausalen Frauen durch eine Hormontherapie über 5 Jahre gesenkt oder das Auftreten der Erkrankung verzögert werden kann. Trotzdem sollte eine Hormontherapie nur bei bestehenden Wechseljahresbeschwerden und nicht lediglich zur Verhinderung oder Verzögerung einer Diabetes- Erkrankung eingesetzt werden.
Bei Frauen, bei denen bereits vor dem Auftreten von Wechseljahresbeschwerden ein Typ-1-Diabetes diagnostiziert wurde, hat die Hormontherapie verschiedenen Studien zufolge neutrale oder sogar positive Effekte auf die Blutzuckerkontrolle. So waren Nüchtern-Blutzuckerwerte sowie HbA1c-Werte bei Frauen mit einem vorbestehenden Typ-1-Diabetes unter Hormontherapie in Tablettenform niedriger als bei Diabetikerinnen ohne Hormontherapie. Diese Auswirkungen auf den Glukosestoffwechsel machen engmaschigere Blutzuckerkontrollen zu Beginn sowie nach Beendigung einer Hormontherapie bei Frauen mit Diabetes notwendig.
Welche Auswirkungen eine Hormontherapie zur Behandlung von Wechseljahresbeschwerden auf Patientinnen mit einem Typ-1-Diabetes hat, ist in weiteren Teilen unklar. Die oben beschriebenen Effekte einer Hormontherapie auf Nüchtern- Blutzuckerwerte oder Insulinsensitivität wurden bei Frauen mit Typ-1- Diabetes bislang nicht untersucht. Eine einzelne Studie mit 56 Teilnehmerinnen mit Typ-1-Diabetes konnte zeigen, dass es nach einem Beobachtungszeitraum von 12 Monaten keine Unterschiede hinsichtlich mehrerer Risikofaktoren für Herzkreislauferkrankungen (Lipidstoffwechsel, Blutzuckereinstellung, Blutdruck und Körpergewicht) zwischen Frauen mit und ohne Hormontherapie gab. Es sind weitere klinische Studien notwendig, die den Einfluss von Hormontherapien bei Frauen mit Typ-1-Diabetes untersuchen.