Bessere Gesundheit

Diabetes aufhalten, geht das?

Einen Diabetes bekommt man nicht von einem Tag zum anderen. Die Stoffwechselerkrankung beginnt langsam und schleichend. Wie bei Johannes. Der hat zwar noch keinen Diabetes, aber sein Körper kann den Zucker nicht mehr wie ein Gesunder in die Zellen schleusen. Kann man den Diabetes aufhalten? Text: Monika Walter

Johannes hat ein hohes Diabetesrisiko: Er ist 50 Jahre alt und bringt wegen seiner Vorliebe für Schweinebraten und Sonntage auf dem Sofa einige Kilos zu viel auf die Waage. Und: Auch sein Vater ist vor einigen Jahren an Diabetes erkrankt.

Der Diabetologe Dr. Marcel Kaiser aus Frankfurt betont: „Ein erhöhtes Risiko für Diabetes haben Menschen mit familiärer Vorbelastung und einem höheren Lebensalter. Bewegungsmangel, ballaststoffarme, fettreiche Kost sowie Rauchen und Übergewicht, insbesondere viel Bauchfett, erhöhen das Risiko weiter.“

So fängt es an: Gestörte Glukosetoleranz

Die Entwicklung eines Diabetes ist dabei ein schleichender und vielschichtiger Prozess mit zwei wesentlichen Komponenten: Zum einen nimmt die Funktion der Betazellen in der Bauchspeicheldrüse immer weiter ab, gleichzeitig sorgt stoffwechselaktives Bauchfett dafür, dass ausgeschüttetes Insulin nicht richtig wirken kann. Die Stoffwechselkontrolle des Körpers wird immer schlechter – man spricht zunächst von gestörter Glukosetoleranz. Irgendwann wird dann die Grenze zum Diabetes überschritten.

Wie weit der Stoffwechsel bereits außer Kontrolle geraten ist, kann der Arzt zum Beispiel mit einer Bestimmung des Langzeit-Blutzuckerwertes HbA1c (siehe Kasten) feststellen: Alles was er dazu braucht ist ein Tropfen Blut aus der Fingerkuppe.

Liegt der Langzeit-Blutzuckerwert unter 5,6% ist alles im grünen Bereich – Kohlenhydratzufuhr und Insulinausschüttung sind im Einklang. Bei HbA1c-Werten über 6,5% ist der Diabetes dagegen bereits ausgebrochen und muss entsprechend behandelt werden. Im HbA1c-Bereich zwischen 5,7% und 6,4% ist die Glukoseverwertung gestört, aber es muss noch kein Diabetes vorliegen.

Der HbA1c von Johannes lag bei 5,9%. Um zu prüfen, in wie weit sein Körper noch in der Lage ist, Glukose zu verwerten, hat der Arzt zusätzlich einen Zuckerbelastungstest durchgeführt. Johannes musste dazu nüchtern in die Praxis kommen. Dann wurde zunächst der Blutzucker bestimmt. Anschließend bekam er eine Glukoselösung zu trinken. Zwei Stunden danach wurde erneut der Blutzucker gemessen. Ergebnis: Johannes hat zwar noch keinen Diabetes, aber sein Körper kann den Zucker nicht mehr wie ein Gesunder in die Zellen schleusen. Was nun?

Am Anfang haben Sie noch alle Chancen – nutzen Sie sie!

Egal, ob der Diabetes schon ausgebrochen ist, und bereits eine Behandlung mit Tabletten nötig ist, oder ob „nur“ ein hohes Risiko für Diabetes bzw. eine gestörte Glukosetoleranz vorliegen: Um eine Umstellung seines Lebensstil kommt keiner der Betroffenen herum. Dazu gehören: Mehr körperliche Aktivität und eine gesunde Ernährung mit weniger Fett und mehr Ballaststoffen. Außerdem sollten wenigstens ein paar Kilo Gewicht abgenommen werden und der Konsum von Alkohol und Zigaretten eingeschränkt werden.

Diese Maßnahmen können die Entwicklung des Diabetes nicht unbedingt verhindern, aber Sie können die Erkrankung erheblich hinauszögern. Liegt bereits ein Diabetes vor, können mehr Bewegung und eine vernünftige Ernährung die Erkrankung wieder soweit zurückdrängen, dass auf eine Behandlung mit Tabletten verzichtet werden kann.

Johannes ist schockiert über sein Untersuchungsergebnis: „Ist das nun die Quittung für meinen bisherigen Lebensstil? Muss ich jetzt bis ans Lebensende behandelt werden und meine Gesundheit wird trotzdem immer schlechter?“ Dazu Dr. Kaiser: „Auch wenn der Zusammenhang zwischen Lebensstil und Diabetes sehr wichtig ist, spielt auch die genetische Ausstattung des Einzelnen eine wesentliche Rolle für den Ausbruch der Erkrankung.“ Er ergänzt: „Patienten sollten den Diabetes am Horizont nicht nur als Drohung begreifen, sondern auch als Chance für besseres und fitteres Leben. Der bewusste Genuss von Essen und Trinken und mehr Unternehmungen an der frischen Luft können sich positiv auf die gesamte Lebenssituation auswirken.“

Von ein paar Kilos weniger profitieren

Johannes ist skeptisch: „Ich bringe gut 120 Kilo auf die Waage, was machen da schon drei Kilo weniger?“ Doch Dr. Kaiser stellt klar: „Problemzone beim Diabetes ist das Bauchfett. Es ist stoffwechselaktiv und fördert die Resistenz des Körpers gegenüber Insulin – das heißt, der Körper produziert zwar eigentlich genügend Insulin, doch es kann bei der Senkung des Blutzuckers nicht wirksam werden. Schon eine Gewichtsabnahme von drei bis fünf Kilogramm kann in Sachen Stoffwechsel einiges bewegen.“

Keine radikalen Entschlüsse!

Wenn bei Ihnen wie bei Johannes Veränderungen des Lebensstils nötig sind, sollten Sie nicht versuchen, alle bisherigen Gewohnheiten völlig auf den Kopf zu stellen. Meist hat das nur kurzfristig Erfolg und Sie fallen rasch in alte Muster zurück. Versuchen Sie sich zunächst sich bewusst zu machen, auf was Sie verzichten können und auf was nicht. Wenn Schokolade für die Aufrechterhaltung ihres Gemütszustandes wichtig ist, gönnen Sie sich auch in Zukunft dieses „Seelenfutter“. Aber naschen Sie am Schreibtisch nicht nebenbei eine ganze Tafel, sondern gönnen Sie sich bewusst hin und wieder ein Stück besonders guter Schokolade.

Fertigprodukte auf den Index setzen

Streichen Sie industriell vorgefertigte Lebensmittel von ihrem Speisezettel – das gilt auch für spezielle „Diabetikergerichte“. Dafür gibt es eine ganze Reihe von Gründen: Fertiggerichte enthalten in den meisten Fällen zu viel Salz, zu viel Zucker, zu viel Fett und zu große Anteile gesättigter Fettsäuren sowie insgesamt auch zu viele Kalorien.

Kochen Sie sich lieber selbst – das ist gesünder, schmeckt meist wesentlich besser und schont auch noch den Geldbeutel. Anregungen für gesunde Gerichte, die leicht gelingen, finden Sie diesem Heft.

Und: machen Sie sich schlau! Wussten Sie zum Beispiel, dass ein Rosinenbrötchen pro 100 Gramm etwa 260 Kilokalorien hat, ein Croissant dagegen fast das Doppelte? Grund dafür ist die erheblich höhere Fettmenge im Plunderteig.

Fast-Food ist nicht gleich Fast-Food

Sie haben mittags nicht viel Zeit und Sie lieben Burger? Dann gönnen Sie sich gelegentlich dieses Vergnügen. Aber verzichten Sie auf die Variante „doppelter Hamburger mit Käse, dazu große Pommes“. Auch hier gilt: Bewusst auswählen und genießen: Ein einfacher Hamburger ca. 250 Kilokalorien, das zweistöckige Modell dagegen mehr als das Doppelte. Viele Burger-Restaurants bieten inzwischen auch gesunde Alternativen wie Salat, Obst oder weniger reichhaltige Gerichte wie beispielsweise Wraps an.

Achtung: Softdrinks mit Süßstoffen

Zuckerhaltige Softdrinks haben jede Menge Kalorien, außerdem stresst die ständige Zuckerzufuhr die Bauspeicheldrüse. Cola und andere Limonaden sollten Sie deshalb von Ihrer Einkaufsliste streichen. Aber auch „Light“- oder „Zero“-Produkte sind nicht immer sinnvoll. Das Gefühl Kalorien oder Zucker durch den Genuss von zuckerarmer oder -freier Limonade eingespart zu haben, suggeriert manchen, dass sie dafür an anderer Stelle „sündigen“ dürfen – zum Beispiel in Form von Knabbereien. Das jedenfalls legen große Untersuchungen aus den USA nahe, wo zwar der Konsum von zuckerreduzierten Softdrinks in den letzten Jahren zwar stark gestiegen ist – ohne dass die Menschen an Gewicht verloren haben. Deshalb – genießen Sie auch hier bewusst: Trinken Sie zum Durst löschen Wasser und gönnen Sie sich zum Beispiel hin und wieder ein Glas frisch gepressten Orangensaft.

Kommen Sie auf den Hund!

Wie bei der Ernährung ist es auch in Sachen Bewegung wichtig, nicht alles von einem Tag auf den anderen vollständig umzukrempeln. Fangen Sie klein an – lassen Sie den Lift links liegen und nehmen Sie die Treppe. Nutzen Sie nicht die Trambahnstation vorm Haus, sondern laufen Sie zur nächsten Station und steigen erst dann ein.

Ziel ist es, sich mindestens zwei- bis dreimal pro Woche körperlich zu betätigen. Ein Garant für tägliche Bewegung an der frischen Luft: Ein Hund! Er fragt nicht nach dem Wetter oder ob gerade etwas anderes wichtiger ist – er muss! Falls Ihnen ein eigener Hund zu viel ist: In jeder Stadt gibt es ein Tierheim. Die Hunde dort freuen sich sehr, wenn Sie regelmäßig vorbeikommen und einen der Schützlinge zu einem Spaziergang abholen – vielleicht wird daraus ja eine Freundschaft fürs Leben.

Was Sie sonst noch tun können

Viele Menschen mit Diabetes oder mit einer gestörten Glukosetoleranz haben ein vorgeschädigtes Herz-Kreislauf-System. Sorgen Sie dafür, dass diese Schäden nicht weiter fortschreiten, indem Sie unter anderem Ihren Blutdruck und Ihre Blutfettwerte regelmäßig beim Arzt kontrollieren lassen und das Rauchen einstellen. Menschen mit gestörter Glukosetoleranz sollten mindestens einmal pro Jahr ihren HbA1c beim Arzt bestimmen bzw. einen Zuckerbelastungstest durchführen lassen.