Dem Glück auf der Spur
Schon der französische Philosoph Voltaire sagte: „Da es sehr förderlich für die Gesundheit ist, habe ich beschlossen, glücklich zu sein.“ In seinem Satz steckt viel Wahres, denn Glück ist gesundheitsfördernd.
Kein Wunder, dass die sogenannte Positive Psychologie mittlerweile auch in der Medizin eine Rolle spielt.
Nicht nur Voltaire hatte etwas zum Thema Glück beizutragen, auch Aristoteles erkannte: „Alle Menschen wollen glücklich sein.“ Dass Psyche und Immunsystem eng zusammenhängen, ist mittlerweile bekannt. Glückliche Menschen sind körperlich widerstandsfähiger, können ihre Selbstheilungskräfte besser aktivieren und leben sogar nachweislich länger. Nachdem sich Forscher lange Zeit hauptsächlich auf negative Emotionen der Menschen konzentrierten, rückt die „Positive Psychologie“ die schönen Gefühle wie Glück und Wohlbefinden in den Mittelpunkt. Dabei ist allerdings zu beachten, dass allein die Abwesenheit von Problemen nicht automatisch zu einem glücklichen Dasein führt. Positives und Negatives können nebeneinander existieren und jeder Mensch interpretiert seine persönlichen Lebensumstände anders. Es reicht aber auch nicht aus, sich allein darauf zu konzentrieren, schlechte Gefühle oder Probleme loszuwerden, denn es ist ebenso wichtig, glückliche Zustände zu üben und das Leben in die gewünschte Richtung zu wenden. Glücklichsein bedeutet dabei mehr als ein kurzes Hochgefühl der Freude.
Materielle Güter sind nicht wichtig
Glück ist auch nur bedingt abhängig von materiellen Gütern. Erfahrungen und Erlebnisse hingegen stärken unser Glücksgefühl und sind entscheidend für das innere Erleben von Glück. Auf dem Weg zu mehr Wohlbefinden und innerer Zufriedenheit spielen aber auch Achtsamkeit und die Entwicklung von Selbstliebe eine entscheidende Rolle. Für Menschen mit Diabetes ist die Erkrankung eine Belastung, ebenso wie jede andere chronische Krankheit, ist diese eine ständiger Begleiter. Diabetes bedeutet auch Stress für Körper und Geist. Innere Unruhe, Frust (beispielsweise wenn die Therapie nicht läuft) und die Angst vor Folgeschäden erschweren oft das Gefühl von Wohlbefinden. Der Schlüssel zu mehr Zufriedenheit liegt aber nicht darin begründet, dass man sich selbst belügt und sich einredet, dass man glücklich wird, sobald die Blutzuckerwerte einmal endlich stabil sind. Glück lässt sich nicht erzwingen. Die Krankheit wird immer ein Mitläufer und eine Belastung sein, es kommt aber darauf an, wie man mit ihr umgeht. Oft hilft es schon ein wenig, sich selbst einzugestehen, dass es eben nicht einfach ist. Verständnis für die eigene Situation zu entwickeln ist ein wichtiger Schritt.
Glückszwang in unserer Gesellschaft
Doch ist das in unserer Gesellschaft nicht immer einfach. Es herrscht schon fast eine Art „Glückszwang“. Wer nicht glücklich ist, macht irgendetwas falsch. Bücher mit Glücksformeln boomen, soziale Medien suggerieren uns das Glück anderer, ohne dass wir wirklich bemerken, was hinter der digitalen Welt steckt. Kein anderes Gefühl genießt solch eine Präsenz. Wer unglücklich ist, will glücklich sein und probiert oft viele Wege aus, um Glücksmomente regelrecht zu sammeln. Doch die wirkliche innere Zufriedenheit bleibt aus. Wie oft hingegen haben Sie es schon erlebt, dass Sie sich nicht gut gefühlt haben und jemand hat zu Ihnen gesagt: „Das ist in Ordnung, gib deinem Körper und deinem Geist eine kleine Auszeit, aber zwinge ihn nicht zum Glück“? Ehrliches Glück fängt oft da an, wo wir ganz bei uns selbst sind und unsere Wahrnehmung für den eigenen Körper schulen. Als Beispiel: Bei schwankenden Zuckerwerten sind wir oft frustriert, haben das Gefühl, die Lage nicht im Griff zu haben, fühlen uns als hätten wir versagt und spüren die Angst vor Folgeschäden und Konsequenzen. Wenn wir nun dem inneren Kritiker freien Lauf lassen, fühlen wir uns weiter schlecht. Ebenso wenn wir uns unter Druck setzen, glücklich sein zu müssen. „Mir hat es geholfen, nicht mehr so streng zu mir selbst zu sein“, sagt Nele, die mit 17 Jahren an Typ-1-Diabetes erkrankte und lange Zeit mit Depressionen zu kämpfen hatte. In der Therapie hat sie gelernt, hohe Werte nicht als persönliches Versagen anzusehen, sondern sich zu sagen: „Es ist ok, ich suche nach der Ursache und kümmere mich gut um meinen Körper, der gerade eine anstrengende Situation zu bewältigen hat.“ Bei stark schwankenden Werten hat sich Nele bewusst Zeit für sich selbst genommen und sich ausgeruht. „Ich habe meinen Körper irgendwann nicht mehr als Gegenspieler und den Diabetes als Gespenst gesehen, sondern mehr und mehr den Wunsch entwickelt, meinen Körper zu unterstützen, indem ich die Therapie ernst nehme, aber auch Rückschläge nicht verurteile.“
Gene zum Glück
Doch wovon hängt Glück nun wirklich ab? Eine entscheidende Rolle spielen die Gene. Die Interpretation von Forschungsergebnissen lässt vermuten, dass eine Art Basislevel der Lebenszufriedenheit genetisch festgelegt ist. Dieses Level kann sich anschließend nach oben oder unten verändern. Ein Hinweis darauf bieten auch Zwillingsstudien, in denen gezeigt werden konnte, dass eineiige Zwillinge stärkere Gemeinsamkeiten hinsichtlich ihrer Lebenszufriedenheit aufweisen als zweieiige. Eine ebenso interessante Entdeckung machten Eugenio Proto und Andrew Oswald von der britischen University of Warwick. Ausgang der Studie waren die besonders glücklichen Einwohner Dänemarks. Die Forscher zeigten, dass Bevölkerungsgruppen, die den Einwohnern Dänemarks genetisch sehr ähnlich sind, ebenfalls meist zufriedener durchs Leben gehen. Doch unsere Gene existieren nicht völlig abgeschottet vom Außen und unser Glück ist beeinflussbar. Das liegt auch an den komplexen Wechselwirkungen zwischen genetischen Ursachen und Umweltfaktoren. Eine Idee für ein Lebenszufriedenheitsmodell hatten Sonja Lyubomirsky von der University of California in Riverside und ihre Kollegen. Ihr Vorschlag: Rund 50 Prozent unserer Lebenszufriedenheit ist erblich bedingt, die übrigen 50 Prozent sind abhängig von unseren eigenen Handlungen und Einstellungen (40 Prozent) und den Lebensumständen (10 Prozent). Andere Forscher schätzen den genetischen Einfluss sogar noch höher ein. Warum Gene glücklich machen können, wird noch erforscht. Ein Grund könnte der Zusammenhang zwischen dem erblich bedingten Glückslevel und unseren Persönlichkeitseigenschaften sein, denn deren Ausprägung hängt bis zu einem gewissen Grad ebenfalls von den Genen ab. Dass Glück sichtbar gemacht werden kann, haben wir Hirnforschern zu verdanken. Sie beschäftigen sich mit den Veränderungen im Gehirn bei dem Empfinden von Glück. Welche Hirnregionen und welche Botenstoffe sind an unseren Hochgefühlen beteiligt? Die gesamte Neurobiologie des Glücks ist komplex, doch eine wichtige Rolle spielt unser Belohnungssystem. Dieses besteht aus einer ganzen Reihe von Hirnarealen, die vor allem über den Botenstoff Dopamin miteinander kommunizieren und es erklärt den Drang, uns immer wieder genau den Dingen zuzuwenden, die uns zufrieden machen.
Glück ist nicht nur ein kurzes Hochgefühl
Glück hat verschiedene Teilaspekte. Wenn wir akute Hochgefühle erleben, wird vor allem das sogenannte ventrale Striatum und hier eine Struktur tief im Inneren des Gehirns (Nucleus accumbens) aktiv. Dieses kommuniziert daraufhin verstärkt mit Teilen des präfrontalen Kortex und der Amygdala. Solch ein akutes Hochgefühl ist beispielsweise die Vorstellung eines Lottogewinns. Im Hinblick auf andauerndes Glück wurde festgestellt, dass Menschen, bei denen das ventrale Striatum und der präfrontale Kortex besonders ausdauernd auf positive Stimuli reagieren, meist auch zufriedener durchs Leben gehen. Man kann es sich so vorstellen, dass beide Areale weiterfeuern, auch wenn ihnen ein positives Erlebnis nach dem anderen präsentiert wird. Das ist bei Menschen mit einer Depression häufig anders, denn bei ihnen ebbt die Glücksantwort nach einer bestimmten Anzahl von Glücksversuchen ab. Langfristiges Glück lässt sich nicht von heute auf morgen einfach so erreichen. Es setzt vor allem die Auseinandersetzung mit den eigenen Bedürfnissen voraus. Wonach sehne ich mich wirklich (Ruhe, Begegnungen mit anderen Menschen, neue Erlebnisse, das Gefühl von Freiheit)? Nehme ich die Bedürfnisse auch wirklich ernst? Wann mache ich Glück zu sehr von äußeren Umständen oder anderen Menschen abhängig? Wer mehr Glück erleben will, muss sich trauen hinzuschauen und sollte nicht aufgeben, wenn das Leben scheinbar nur Rückschläge bereithält. Oft brauchen wir gerade auch die Grenzerfahrungen, um Glück wirklich schätzen zu können. Wenn wir wissen, wo wir hinwollen, können wir den Weg auch gehen.