Stärker werden

7 Schlüssel für mehr innere Stärke

Manche Menschen scheinen mit Belastungen, Stress, Krankheiten oder sonstigen Krisenzeiten gut umgehen zu können. Sie agieren situationselastisch und haben eine große innere Stärke, passen sich an beziehungsweise suchen proaktiv nach Lösungen, während andere nach und nach die Kraft verlieren oder es ihnen schwer fällt, wieder aufzustehen und neuen Mut zu erlangen. Doch was macht uns psychisch widerstandsfähiger? Das sogenannte Resilienzkonzept wurde aufgrund einer Langzeitstudie von Emmy Werner entwickelt. Die amerikanische Entwicklungspsychologin beobachtete rund 700 Hawaiianer, die im Jahr 1955 geboren wurden, von Kindheit an über 40 Jahre hinweg.

Sie interessierte sich vor allem dafür, wie die Menschen, die in schwierigen, beispielsweise von Gewalt oder Armut geprägten Lebensumständen aufwuchsen, dennoch eine gute psychische Widerstandskraft entwickeln konnten. Aufgrund dieser bahnbrechenden Studie wurden sieben Schlüsselfaktoren definiert, die entscheiden, ob ein Mensch resilient ist und somit Krisen verkraftet oder sogar noch gestärkt aus ihnen hervorgeht. Dazu gehören: Akzeptanz, Optimismus, Selbstwirksamkeit, Netzwerkorientierung, Zukunftsorientierung und Lösungsorientierung, die einzelnen Faktoren stellen wir Ihnen noch näher vor.

Schlüssel 1: Akzeptanz

Wenn wir uns gegen Veränderungen oder Herausforderungen wehren, treten wir oft auf der Stelle. Die Diagnose Diabetes bedeutet für viele Betroffene einen gravierenden Einschnitt ins Leben. Manche befinden sich sogar in einer regelrechten Krise und sind mit dem Diabetesmanagement überfordert. Um neue innere Stärke zu entwickeln ist es wichtig, nach vorn zu schauen und die Gegebenheiten bestmöglich zu akzeptieren. Doch das ist manchmal gar nicht so leicht. „In der Regel gehört zu einer Krise auch immer das Gefühl der Angst. Diese lässt sich nicht einfach unterdrücken“, betont Prof. Dr. Jutta Heller, Expertin für Resilienz. Wichtig sei es, sich nicht gegen die Angst zu wehren oder sich von ihr lähmen zu lassen. Versuchen Sie die Angst anzunehmen und Selbstmitgefühl zu entwickeln. So nehmen Sie ihr den Wind aus den Segeln.

In Krisenzeiten haben wir oft keinen Zugang zu unseren inneren Ressourcen und Kompetenzen. Deshalb sollten Sie sich Hilfe suchen. Die erste Anlaufstelle ist meist der Diabetologe, doch auch der Austausch mit anderen Betroffenen, zum Beispiel in Internetforen oder Selbsthilfegruppen, kann neue Wege aus scheinbar festgefahrenen Situationen eröffnen. Beenden Sie den Kampf gegen sich selbst. „Sie dürfen unperfekt sein. Sie dürfen sich selbst annehmen und akzeptieren – mit den eigenen Stärken und Schwächen“, sagt Prof. Dr. Jutta Heller und fügt hinzu: „Auch wenn Sie traurig sind und sich schlecht fühlen, sind Sie okay.“ Behandeln Sie sich selbst so, wie Sie Ihren besten Freund oder Ihre beste Freundin behandeln würden: verständnisvoll, wohlwollend, rücksichtsvoll, verzeihend, tröstend und unterstützend.

Schlüssel 2: Optimismus

Eine positive Lebenseinstellung ist neben Akzeptanz ein weiterer wichtiger Schlüssel. Auch wenn es in manchen Momenten nicht einfach ist, das Licht am Ende des Tunnels zu sehen, sollten Sie immer wieder versuchen, optimistisch nach vorne zu blicken. Ein anderer entscheidender Punkt ist der Glaube an sich und die eigenen Stärken. Unsere Gedanken bestimmen unsere Gefühle. Achten Sie deshalb genau auf Ihre inneren Überzeugungen und Gedankenmuster: Wenn Sie sich beispielsweise immer wieder suggerieren, dass Sie in Hinsicht auf Ihre Blutzuckereinstellung versagen, dann werden Sie auch weiterhin Frust und Enttäuschung erleben. Die negative Grundeinstellung wird sich auch auf den Körper auswirken – womöglich lassen Sie wortwörtlich den Kopf hängen oder verlieren Ihr Lächeln.

„Negative Emotionen führen dazu, dass wir uns zusammenziehen oder gar zusammensinken, uns verspannen oder verschließen“, erklärt Prof. Dr. Jutta Heller und rät: „Machen Sie sich Ihre Emotionen bewusst, um zu erkennen, welche bei Ihnen vorherrschend sind.“ Mit Hilfe von Bewegung, Yoga, Atemtechniken, Meditation oder Achtsamkeitsübungen können Sie negative Gedankenmuster loslassen und eine neue Körperhaltung gewinnen. Dadurch ändern sich auch Ihre Emotionen. Gönnen Sie sich etwas und Sie werden merken, dass gute Gefühle eine echte Kraftquelle sind. Setzen Sie sich dabei nicht unter Druck und stecken Sie sich kleine Ziele. Nehmen Sie sich beispielsweise vor, einen Tag lang regelmäßig den Blutzucker zu messen, die Mahlzeiten zu berechnen und nicht zwischendurch zu naschen. Durch die kleinen Erfolge bleiben Sie motiviert und sehen dem nächsten Tag direkt optimistischer entgegen.

Schlüssel 3: Selbstwirksamkeit

„Bei diesem Schlüssel geht es darum, dass Sie sich Ihrer Kompetenzen besser bewusst werden und einiges dafür tun, um das Vertrauen in Ihre vorhandene innere Stärke zu steigern“, erklärt Prof. Dr. Jutta Heller. Unser Erfolg hängt nicht nur von unseren tatsächlichen Fähigkeiten ab, sondern auch von unseren positiven Überzeugungen. Glauben Sie daran, dass Sie in der Lage sind, immer wieder etwas Neues zu erlernen und somit auch unbekannte oder schwierige Aufgaben bewältigen. Dazu ist es hilfreich, dass Sie in einem guten Kontakt mit sich selbst und Ihrem Körper sind. So fällt es leichter, die eigene Kraft und die eigenen Möglichkeiten einzuschätzen. Zudem ist es wichtig, ein gesundes Selbstvertrauen zu entwickeln – sich also weder zu über- noch zu unterschätzen.

So können Sie Ihren Diabetes weitestgehend selbst managen, doch ohne die Unterstützung durch einen Diabetologen oder gegebenenfalls andere vertraute Personen, würden Sie irgendwann in eine Sackgasse geraten. Auf der anderen Seite sind Sie der Krankheit aber auch nicht hilflos ausgeliefert. „Selbstwirksamkeit entwickelt sich sehr früh in unserer Kindheit“, sagt die Expertin für Resilienz. „Ja nachdem, wie wir Erfolge und Misserfolge erleben, ist sie ausgeprägter oder weniger entwickelt.“ Sie lässt sich aber ein Leben lang verändern oder vergrößern. Achten Sie darauf, Ihre Bedürfnisse wahrzunehmen, zum Beispiel das Bedürfnis nach Ruhe, und sorgen Sie regelmäßig für Entspannung. Wer von sich selbst verlangt, perfekt zu sein, oder es allen recht machen will, steht bald unter Dauerspannung.

Nehmen Sie sich selbst den Druck, um sich Ihren Kompetenzen wieder bewusst zu werden. „Selbstwirksamkeit beziehungsweise Vertrauen in unsere innere Stärke können wir nur empfinden, wenn wir nicht ständig am Rande der Erschöpfung sind“, betont Prof. Dr. Jutta Heller.

Schlüssel 4: Verantwortung

Wenn Sie Verantwortung für sich übernehmen, können Sie Ihre Gefühle immer besser steuern und aktiv für Ihr Wohlbefinden sorgen. Ob Sie aus einer schwierigen Situation wieder Lebensmut schöpfen, liegt in Ihrer Hand. Doch die meisten Menschen neigen dazu, Schmerzen, Verlust oder andere negative Gefühle zu verdrängen, um sie nicht zu spüren. Anfangs ist ein gewisses Verdrängen völlig normal und in Ordnung, doch irgendwann müssen Sie sich mit der Situation auseinandersetzen. Dazu gehört auch, sich mit dem Diabetes zu befassen. Je mehr Zusammenhänge Sie verstehen, desto weniger erscheint Ihnen die Krankheit wie ein Buch mit sieben Siegeln. Befreien Sie sich von dem Gefühl des Ausgeliefertseins und sorgen Sie verantwortungsvoll für sich.

„Ein zentraler Aspekt der Selbstverantwortung beinhaltet, dass Sie Ihre eigenen Grenzen wahrnehmen und respektieren“, sagt Prof. Dr. Jutta Heller. Verantwortung zu übernehmen heißt jedoch nicht, zum Einzelkämpfer zu werden. Um frei handeln zu können, sollten Sie sich zudem aktiv mit der Vergangenheit auseinandersetzen. Auch wenn Sie bereits Akzeptanz gegenüber dem Diabetes entwickelt haben, tragen Sie oft noch gewisse Altlasten mit sich herum. Wo haben Sie das Gefühl, dass die Krankheit noch Ihr Leben bestimmt? In welchen Situationen fühlen Sie sich womöglich ausgeliefert oder hilflos? Auf dem Weg zu mehr Eigenverantwortung kann es sinnvoll sein, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Zum Beispiel im Rahmen eines Coachings, einer Therapie oder einer Schulung.

Schlüssel 5: Netzwerkorientierung

Gute soziale Kontakte sind lebenswichtig und können uns auf dem Weg für mehr innere Stärke unterstützen. „Sie stärken Ihre Resilienz enorm, wenn Sie flexibler in Ihren Denkmustern und damit auch im Handeln werden“, hebt Prof. Dr. Jutta Heller hervor. Mit sozialen Netzwerken sind nicht nur die Familie, der Freundeskreis oder die Arbeitskollegen gemeint, sondern zu dem persönlichen Unterstützungssystem gehören auch entsprechende Fachärzte oder Therapeuten. Versuchen Sie zudem offen für neue Bekanntschaften zu sein. Diese können Ihr Leben bereichern und zu Ihrem inneren Wachstum beitragen.

Dennoch sollten Sie sich selbst nicht aus den Augen verlieren: Wer sich nur um andere kümmert und die eigenen Bedürfnisse vernachlässigt, wird früher oder später an seine Grenzen gelangen. Hören Sie auf Ihre innere Stimme und gönnen Sie sich das richtige Maß an Rückzug und Ruhe. „Wie viele gute Kontakte Sie benötigen, wie groß Ihr Netzwerk sein soll, das entscheiden Sie ganz allein“, sagt unsere Expertin und rät, Miesmacher, Nörgler, Kritiker und sonstige pessimistische Zeitgenossen zu meiden. Suchen Sie stattdessen die Nähe zu Menschen, die einen optimistischen Blick auf das Leben haben, die Ihnen gut tun und wohlgesonnen sind. Auch bei der Wahl des Diabetologen sollten Sie Ihr Bauchgefühl nicht ignorieren: Wenn Sie nur mit Widerwillen die Praxis betreten, sich Ihrem Arzt gegenüber nicht öffnen können oder Ihre Ängste nicht gehört werden, dann ist er nicht der Richtige.

Schlüssel 6: Lösungsorientierung

„Lösungsorientierung verhilft Ihnen zu mehr Klarheit und Stärke, da Sie Ihren Fokus darauf richten, was Ihnen gut tut, und sich auf die Aufgaben konzentrieren, die Sie weiterbringen“, erklärt Prof. Dr. Jutta Heller. Auch wenn es in einer Krise nicht immer leicht ist, nach vorn zu blicken, sollten Sie davon ausgehen, dass Probleme grundsätzlich gelöst werden können und der unangenehme, unbefriedigende Zustand in einen besseren verwandelt werden kann. Lösungsorientierung ist eine Haltung, die in jeder Situation des Lebens hilft. „Statt mit unseren Gedanken und Gefühlen immer wieder um ein Problem zu kreisen und nach dessen Ursachen zu forschen, können wir auch ganz einfach prüfen, was gut funktioniert“, sagt die Expertin für Resilienz und fügt hinzu: „Wenn man sich orientiert, geht es in der Regel darum, einen Weg, eine Richtung zu finden, die man einschlagen möchte.“

Erkennen Sie, was unveränderbar ist und worauf Sie Einfluss nehmen können. Dabei spielt auch Zeitmanagement eine entscheidende Rolle. Da Sie sich im Alltag nicht nur um Ihren Diabetes kümmern müssen, sondern auch andere Aufgaben zu erledigen haben, sollten Sie sich Prioritäten setzen, um das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Wenn Sie beispielsweise Ihre Blutzuckerwerte am Morgen verbessern wollen, dann befassen Sie sich mit den Schritten die nötig sind, um dieses Ziel zu erreichen. Vielleicht hilft es Ihnen die einzelnen Punkte aufzuschreiben und abzuhaken. Machen Sie sich auf dem Weg für mehr innere Stärke auch Ihre Wünsche und Visionen bewusst: Was ist Ihnen wichtig und welches Ziel möchten Sie unbedingt erreichen?

Schlüssel 7: Zukunftsorientierung

Bestimmen Sie die Fahrtrichtung: „Indem Sie aktiv und klar Ziele formulieren, erkennen Sie Ihre Möglichkeiten, diese umzusetzen“, betont Prof. Dr. Jutta Heller. „Persönliche Veränderung ist jederzeit realisierbar“. Der Lohn sei mehr Glück und Zufriedenheit. Generell brauchen wir eine gute Balance zwischen Gegenwart und Zukunft, um uns wohlzufühlen und zufrieden zu sein. Zudem hat alles im Leben seine Zeit. So bringt es wenig, angstvoll auf die Zukunft zu starren, wie ein Kaninchen auf die Schlange. Ebenso werden Sie sich selbst verlieren, wenn Sie immer nur rennen und nie wirklich ankommen. „Ein Weg, um unsere inneren Ressourcen zu aktivieren ist, uns immer wieder bewusst zu entspannen oder uns auf freudige Momente im Leben zu konzentrieren“, sagt die Expertin.

Lassen Sie sich nicht von Problemen beherrschen, sondern vertrauen Sie auf Ihre innere Stärke. Trauen Sie sich, groß zu denken, aber stecken Sie sich dabei stets erreichbare Ziele. Wenn Sie sich sagen „Ich möchte nicht mehr so viele Blutzuckerschwankungen haben“ oder „Ich darf mich nicht mehr vor dem Sport drücken“, dann geben Sie Ihrem Gehirn unklare, unspezifische Informationen. Stattdessen sollten Sie Ihre Ziele konkret und positiv formulieren, zum Beispiel: „Ich achte auf regelmäßige Mahlzeiten dreimal am Tag und berechne die enthaltenen Broteinheiten.“ Stellen Sie sich vor, wie das Ziel erreicht wird. So steigern Sie automatisch die eigene Motivation und beugen Frust vor.