Mangel mit Folgen
Wenn sich männliche Diabetiker trotz guter Blutzuckereinstellung körperlich erschöpft fühlen, antriebslos sind oder an Schlafstörungen leiden, kann ein Testosteronmangel die Ursache sein. Besonders bei Männern mit Typ-2-Diabetes ist dies keine Seltenheit.
Ob Blutzuckerspiegel, Blutdruck oder Wasserhaushalt – viele verschiedene Vorgänge im Körper werden von Hormonen gesteuert. Die körpereigenen Informationsübermittler werden in Drüsenzellen bestimmter Organsysteme gebildet und anschließend ins Blut abgegeben. Von dort aus gelangen sie zu Zellen, die über spezielle Andockstellen, sogenannte Rezeptoren verfügen. Hormone übermitteln sozusagen Nachrichten, die in ihrer chemischen Struktur verborgen sind. Allerdings ist der Hormonhaushalt im menschlichen Körper durch komplizierte und störungsanfällige Rückkopplungssysteme geregelt. Zu diesen wichtigen Hormonen zählt beispielsweise das Bauchspeicheldrüsenhormon Insulin, aber auch Testosteron.
Zweiseitiger Zusammenhang
Mehrere klinische Untersuchungen legen nahe, dass ein Zusammenhang zwischen Testosteronmangel und Diabetes besteht. So haben männliche Diabetiker im Durchschnitt einen niedrigeren Testosteronspiegel als Nichtdiabetiker, wodurch sich die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Testosteronmangel-Beschwerden erhöht. Wiederum besteht bei Männern mit einem bereits nachgewiesenen Testosteronmangel ein erhöhtes Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken. Auch wenn die Ursachen dieses zweiseitigen Zusammenhangs bis jetzt noch nicht abschließend erforscht sind, scheint ein Grund die Zunahme des Fettgewebes speziell im Bauchraum zu sein, denn viele Typ-2-Diabetiker leiden gleichzeitig an Übergewicht. Dabei werden im Fettgewebe bestimmte Hormone wie Leptin oder Östradiol gebildet, die unter anderem einen hemmenden Einfluss auf den Hypothalamus hirn) und somit auf das übergeordnete Steuerorgan für die Testosteronproduktion haben. Ein niedriger Testosteronspiegel kann infolgedessen zu einer weiteren Zunahme des Bauchfetts führen, wodurch der vorangegangene Prozess weiter verstärkt wird. Doch das ist noch nicht alles. Das Bauchfett setzt zudem entzündungsfördernde Substanzen, sogenannte „proinflammatorische Zytokine“ frei, die durch verschiedene biochemische Prozesse die Insulinempfindlichkeit der Zellen herabsetzen. Eine solche Insulinresistenz sorgt für einen Anstieg der Blutzuckerwerte und gilt als grundlegender Krankheitsmechanismus bei der Entstehung von Typ-2-Diabetes.
Weitreichende Auswirkungen
Ein niedriger Testosteronspiegel kann, abgesehen von der Zunahme des Bauchfetts, weitere negative Auswirkungen auf die Gesundheit und speziell den Stoffwechsel haben. Die Symptome eines Testosteronmangels sind vielfältig und nicht immer eindeutig auf dieses Krankheitsbild zurückzuführen. Dabei betreffen sie nicht nur das körperliche Wohlbefinden, sondern auch Psyche oder Sexualität. Zudem variieren die Symptome in Abhängigkeit vom Alter bei Beginn des Testosteronmangels, von dessen Dauer und Ausmaß. Zu den möglichen Anzeichen zählen unter anderem: Eine verzögerte Pubertät, Zeugungsunfähigkeit, verminderte Körperbehaarung, vergrößerte Brustdrüsen, Insulinresistenz, Rückgang der Muskelstärke und der fettfreien Körpermasse, verminderte sexuelle Lust und sexuelle Aktivität, so wie erektile Dysfunktion. Unspezifische Symptome wie Gewichtszunahme, Leistungsabfall, Gedächtnisstörungen, Schweißausbrüche, Schlafstörungen oder Stimmungsschwankungen werden häufig eher Stress im privaten oder beruflichen Umfeld zugeschrieben, was zum Teil auch daran liegt, dass sich die Beschwerden meist schleichend entwickeln. Gerade bei Männern ab einem Alter von 45 Jahren werden diese Symptome zu selten mit einem Testosteronmangel in Verbindung gebracht. Auch Betroffenen fällt es dadurch schwer, Beschwerden und Symptome richtig zu schildern. Wer ein oder mehrere dieser Symptome oder aber eine Verschlechterung des Allgemeinzustandes bei sich bemerkt, sollte das Gespräch mit dem Hausarzt oder Urologen suchen und den Hormonstatus prüfen lassen. Ein niedriger Testosteronspiegel ist übrigens keine Seltenheit, denn dieser liegt bei etwa 20 Prozent der über 40 Jahre alten Männer unter dem Normbereich.
Formen des Testosteronmangels
Ein Testosteronmangel kann sich nicht nur im Zusammenhang mit bestimmten Erkrankungen wie Diabetes entwickeln, sondern beispielsweise auch altersbedingt entstehen. In der Fachsprache wird er als Hypogonadismus bezeichnet. Die Symptome unterscheiden sich auch, je nachdem ob der Testosteronmangel vor oder nach der Pubertät auftritt. Je nach Ursache des Testosteronmangels wird zwischen der primären und der sekundären Form unterschieden. Erstere ist eine Störung der Testosteronbildung im Hoden, letztere eine Störung der Steuerung der Testosteronsynthese. Das sogenannte Klinefelter-Syndrom ist das häufigste Krankheitsbild des primären Hypogonadismus, bedingt durch eine Störung im Erbgut, bei der die Anzahl der Geschlechtschromosomen abweicht. Aber auch andere Faktoren wie Infektionen, Hodenentzündungen, Hodenkrebs, Verletzungen, Entwicklungsstörungen oder das Fehlen eines oder beider Hoden können die Testosteronbildung genauso beeinflussen. Die Störung bei einem sekundären Hypogonadismus kann sowohl von der Hirnanhangsdrüse, vom Zwischenhirn oder auch von beiden Steuerungsorganen ausgehen. Hervorgerufen wird sie beispielsweise durch Gendefekte, Medikamente, eine unzureichende Durchblutung oder Erkrankungen. Bei einem altersbedingten Testosteronmangel nimmt die Freisetzung der Steuerungshormone in den übergeordneten Zentren im Gehirn ab und die Hodenfunktion lässt nach. Der Altershypogonadismus steht häufig im Zusammenhang mit anderen Begleiterkrankungen und wird durch diese beeinflusst. Eine weitere Form des Testosteronmangels ist die Androgenresistenz. Dabei treten trotz normalem Hormonspiegel im Blut Anzeichen und Beschwerden eines Testosteronmangels auf. Schuld ist eine genetisch bedingte Veränderung des Androgenrezeptors, wodurch die Wirkung des Testosterons am Zielorgan vollständig oder nur zum Teil beeinträchtigt wird.
Von der Diagnose zur Therapie
Nachdem ein Testosteronmangel klinisch und labormedizinisch nachgewiesen wurde und zudem die Ursachen abgeklärt sind, kann an die Therapie gedacht werden. Der behandelnde Arzt wird verschiedene Behandlungsmöglichkeiten erläutern und gemeinsam mit seinem Patienten über die Maßnahmen entscheiden. Testosteron kann dem Körper auf verschiedene Arten zugefügt werden. Dazu gehören Kapseln, Spritzen, Lösungen oder ein Gel zum Auftragen. Ziel der Therapie ist eine Reduktion der durch den Hormonmangel bedingten Symptome und Beschwerden.
Medikamente erhöhen den Testosteronspiegel im Blut auf den unteren bis mittleren Normalbereich. Dabei sind regelmäßige Kontrollen wichtig, um die Behandlung individuell anzupassen. Die Beschwerden bessern sich nicht umgehend, sondern über Wochen oder Monate. Meist sind die ersten Verbesserungen nach etwa drei Wochen feststellbar, jedoch ist bei der Therapie Geduld gefragt. Eine Testosteronbehandlung ist allerdings nicht immer möglich. Gegenanzeigen gibt es beispielsweise bei bestimmten Vorerkrankungen wie Krebs oder dem Verdacht auf Krebs der Prostata oder der männlichen Brustdrüse, da männliche Geschlechtshormone dessen Wachstum anregen. Ebenso kann eine Überempfindlichkeit gegenüber Testosteron oder einem der sonstigen Bestandteile eines zur Behandlung vorgeschlagenen Medikaments eine solche Therapie ausschließen. Generell hat jede Therapie Vorund Nachteile. Deshalb ist eine gründliche Aufklärung durch den Arzt wichtig.
Testosteron und seine Aufgaben im Körper
- KNOCHENSTOFFWECHSEL: Testosteron fördert bei Heranwachsenden das Knochenwachstum und den Schluss der Wachstumsfuge zum Ende der Pubertät.
- MUSKULATUR: In bestimmten Körperregionen führt Testosteron als entscheidendes Hormon zu einer Zunahme der Muskelmasse.
- KEHLKOPF UND STIMME: In der Pubertät wächst unter Einfluss von Testosteron der Kehlkopf und die Stimme wird tiefer (Stimmbruch).
- GEHIRN: Die geschlechtsspezifische Entwicklung beziehungsweise Prägung im Gehirn wird durch Testosteron beeinflusst, ebenso wie Stimmung und Vitalität. Auch die Libido, also die Lust auf Sex ist abhängig von diesem Hormon.
- HAUT UND HAARE: Testosteron beeinflusst die Körperbehaarung, besonders Brust-, Achsel- und Schambehaarung, sowie den Bartwuchs.