Mehr Bewegung

Fitness-Training für Diabetiker

Bringt das Gesundheits- und Fitnessstudio Ihrer Wahl auch die personellen, apparativen und strukturellen Voraussetzungen für Menschen mit Diabetes mit? Das neue Gütesiegel “Fitness-Training für Diabetiker” hilft bei der Auswahl des geeigneten Studios und seiner Trainer/innen. Text: Jennifer Vazquez-Peralbo

Welche besonderen Normen und Elemente sollte ein Fitnessstudio aufweisen, damit es den Anforderungen von Diabetikern in vollem Umfang gerecht wird? Diese und weitere Fragen haben sich die Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Sport der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), diabetesDE und der TÜV Rheinland gestellt. Anhand der erarbeiteten Ergebnisse haben sie das Gütesiegel „Fitness-Training für Diabetiker” ins Leben gerufen. Dieses umfasst alle bedeutenden Kriterien, die ein Fitnessstudio erfüllen sollte, um das spezielle Qualitätssiegel zu erhalten. Das TÜV-Zertifikat „Fitness-Training für Diabetiker“ verbindet in diesem Zusammenhang relevante Komponenten wie Sicherheit, medizinische Kompetenz und Qualität der Geräte, Kurse wie auch des Personals.

Die am häufigsten gestellte Frage ist hierbei, ob das Sportprogramm aus Kraft- oder Ausdauertraining bestehen sollte. Welches dieser beiden Elemente ist am effektivsten? Ein professionelles Studio und ein kompetenter Trainer empfehlen eine ausgewogene Kombination aus beiden Trainingsformen. Sowohl Kraft- als auch Ausdauerstraining haben einen positiven Effekt auf die glykämische Kontrolle bei Patienten mit Typ-2-Diabetes – dies belegen bereits etliche wissenschaftliche Studien.Und Physiologen wie auch Sportler sind sich einig, dass ein größerer Nutzen in der Kombination der beiden Trainingsformen liegt und die Hauptbeanspruchung des gesundheitlich orientierten Bewegungsprogrammes im Idealfall Ausdauer, Kraft, Beweglichkeit und Koordination beinhalten sollte.

Bewegung ist wichtig

Ein speziell auf Diabetiker abgestimmtes Bewegungsprogramm existiert zum jetzigen Zeitpunkt nicht, deswegen empfehlen die Experten verschiedene Bewegungsprogramme, welche auf die unterschiedlichen Erkrankungs-, Behandlungs- und Lebensphasen des Diabetikers abgestimmt werden. Eine individuelle Beratung und Bewegungsprogramm ist die Grundvoraussetzung für jeden Diabetiker. Dr. Meinolf Behrens, der das Projekt „Zertifizierung von Fitness-Studios für Diabetiker“ für die Deutsche Diabetes Gesellschaft betreut und das Diabeteszentrum in Minden leitet, empfiehlt jedem Anfänger Folgendes: „Der Einstieg in die Bewegung ist sicherlich für viele Diabetiker die größte Hürde. Die entsprechende Motivation des einzelnen stellt somit die zentrale Aufgabe ärztlichen Handels dar.“

Aus diesem Grund sollte man zu Beginn langsam starten und auf den Aspekt der Bewegung aufbauen, sodass der Körper sich erst einmal an die Umstellung gewöhnen kann. Die Wahl des Fitnessstudios sollte nicht abhängig von dem Mitgliedsbeitrag getroffen werden, sondern vielmehr nach Qualifikationen des Studios. Diejenigen Studios mit dem Gütesiegel „Fitness-Training für Diabetiker“ sind der Beweis dafür, dass Fachpersonal gerade für einen Diabetiker notwendig und unverzichtbar ist. Denn das Personal eines solchen Studios ist fachlich geschult und kann im Notfall sofort reagieren. Dr. med W. Rüdiger Klare, Internist und Diabetologe, bringt es auf den Punkt: „Qualitativ gut geführte und gesundheitsorientierte Fitnessstudios sind gerade für Diabetiker eine gute Möglichkeit, sich sportlich zu betätigen und gleichzeitig gegen die Krankheit anzukämpfen.“

Mithilfe des Gütesiegels können sich Fitnessstudios positiv von weniger qualifizierten Anbietern abgrenzen. Der Grundgedanke, der den zertifizierten Fitnessstudios zugrunde liegt, ist laut Dr. Meinolf Behrens folgender: „Menschen mit Diabetes haben so die Möglichkeit, Gesundheits- und Fitnessstudios orientiert an ihren besonderen Bedürfnissen auszuwählen. Fitness- und Gesundheitsstudios, die für die Betreuung von Menschen mit Diabetes besonders qualifiziert sind, können dies nun auch mit dem Qualitätssiegel abbilden.“ Die Zertifizierung wird von dem TÜV Rheinland als der zertifizierenden Institution im Rahmen der neuen Fitness-Norm (DIN33961) durchgeführt.

Kriterien für das Gütesiegel

In diesem Kontext stellt sich nun die Frage, was die zertifizierten Studios von den anderen unterscheidet. Die Studios, die dieses Gütesiegel erhalten, müssen bestimmte festgelegte Strukturvoraussetzungen aufweisen. Die Fitnessanlagen sind qualitativ hochwertig ausgerüstet und besitzen speziell geschultes Fachpersonal, welches sich sowohl mit medizinischen Hintergründen von Diabetes als auch mit den damit verbunden Konsequenzen für ein zugeschnittenes Training exakt auskennt. Denn um das Gütesiegel „Fitness-Training für Diabetiker” zu erhalten, müssen die Einrichtungen einige folgende Charakteristika nachweisen.

Die personellen Voraussetzungen stellen eines der Hauptkriterien dar. Im Studio muss mindestens ein Mitarbeiter eine spezielle Fachqualifikation für Diabetes vorweisen können. Um sich diese Qualifikation „Diabetes” anzueignen, ist eine fachgerechte Grundausbildung und mindestens eine einjährige Tätigkeit als Trainer in einem Gesundheitsstudio notwendig. Zusätzlich sollte ein weiterer Mitarbeiter die Basisqualifikation Diabetes besitzen. Letztere erhält der Auszubildende, nachdem eine qualifizierte Grundausbildung sowie ein Basiskurs nach den Leitlinien der Deutschen Diabetes Gesellschaft absolviert worden ist. Während der Öffnungszeiten muss immer mindestens eine Person des geschulten Team anwesend sein. Die anderen Studiomitarbeiter sind verpflichtet einmal im Jahr an einer diabetesspezifischen Fachunterweisung teilzunehmen. Außerdem ist eine ärztliche Betreuung des Studios durch einen Arzt jederzeit sicherzustellen.

Die richtige Ausstattung

Des Weiteren müssen bestimmte apparative Voraussetzungen gegeben sein. So sollte das jeweilige Studio ein Blutglukosemessgerät besitzen, welches regelmäßig auf seine Funktion überprüft werden muss. Außerdem müssen Urinstreifen zur Ketonbestimmung im Studio vorhanden sein. Auch ein Blutdruckmessgerät mit einem gültigen Kalibrationsnachweis ist zwingende Bedingung für die Zertifizierung des Fitnessstudios. Hierbei muss der Nachweis alle zwei Jahre erneuert werden.

Das Notfallmanagement ist das dritte zu erfüllende Kriterium. Auf jeder Etage des Gesundheitsstudios muss ein aus aus Apfelsaft und Traubenzucker bestehendes diabetologisches Notfallset vorhanden sein. Für einen eventuellen Notfall sollte im Zuge dessen ein genau bestimmter Ablaufplan zur Verfügung stehen. Dieser muss zudem in Form einer schriftlichen Dokumentation vorliegen.

Zu guter Letzt ist es vorgeschrieben, dass die sportliche Einrichtung über ein differenziertes und auf Diabetiker ausgerichtetes Trainingsangebot verfügt. Die Leitung der Kurse muss durch einen Mitarbeiter mit der Fachqualifikation Diabetes erfolgen. Dabei darf die Teilnehmerzahl in einem Kurs 15 Personen nicht überschreiten. In dem Fall, in dem kein spezieller Kurs für Diabetiker angeboten wird, muss zumindest ein individuelles Training für Menschen mit Diabetes zur Verfügung stehen. Dabei sind die Bestimmung der Glukosewerte im Blut sowie die Blutdruckmessung vor und nach dem Training Pflicht. Eine Ketonbestimmung im Blut oder Urin ist für jeden Diabetiker freiwillig, sollte aber dennoch als Option vorhanden sein. Für die fachliche und medizinische Kontrolle, dokumentiert der Übungsleiter individuell für alle einzelnen Teilnehmer die Gesamtheit der Messergebnisse.

Was zahlt die Krankenkasse?

Dieser Gesichtspunkt gestaltet sich noch immer als ein besonders heikles Thema. Im Gesetz der Krankenkassen steht diesbezüglich: „Die Versicherten haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.“ Allerdings sind Fitnessstudios keine Vertragspartner der Krankenkassen und es besteht bisher keine Vereinbarung zwischen den Kassen, Fitnessstudios als „Heilmittel” anzuerkennen. Zudem dürfen die Krankenkassen keinen Zuschuss zu den Mitgliedsgebühren gewähren. Aus den genannten Gründen fällt eine Mitgliedschaft in den Verantwortungsbereich eines jedes einzelnen.

Einen kleinen wissenswerten Tipp lieferte uns jedoch Frau Claudia Rembecki von der Barmer GEK: „Die Versicherten können qualitätsgesicherte Kursangebote von Anbietern mit einem staatlich anerkannten Berufs- oder Studienabschluss im Bereich Bewegung innerhalb der Primärprävention bezuschussen lassen.“ Hier könnte der Versicherte versuchen, einen Übungsleiter mit Prae-fit Zertifikat für den Diabetessport für ein Personaltraining finanziert zu bekommen. Denn „Bewegung ist für alle Menschen wichtig, natürlich auch für Diabetiker. Deshalb übernimmt die Deutsche BKK die Kosten zu 95 Prozent (max.
75 Euro) für Gesundheitskurse für alle Versicherten“, so Lydia Krüger von der Deutschen BKK. Den Betrag, den die Krankenkasse übernimmt, variiert in diesen Fällen von Kasse zu Kasse.

Wenn Sie einen Kurs oder einen qualifizierten Übungsleiter finden, der nicht in der Datenbank für Gesundheitskurse registriert oder zu finden ist, können Sie in der Filiale Ihrer Krankenkasse nachfragen, ob diese Ihnen diesen Kurs bewilligt. Des Weiteren bleibt das Thema Krankenkassenfinanzierung und Primärprävention durch Bewegung ein spannendes Thema. Hier ist das letzte Wort, gerade bezogen auf zertifizierte Fitnessstudios für Diabetiker, noch nicht gesprochen.