Bessere Gesundheit

Leben mit Typ-2-Diabetes

Wenn sich ein Typ-2-Diabetes mit Ernährungsumstellung und mehr Bewegung nicht in den Griff bekommen lässt, gibt es eine Vielzahl an wirksamen Behandlungsoptionen.

Die allermeisten Menschen mit Diabetes in Deutschland sind von einem Typ-2-Diabetes betroffen. Ursächlich an der Entwicklung der Stoffwechselerkrankung beteiligt sind Fehlernährung und Bewegungsmangel, eine entscheidende Rolle spielt aber auch die genetische Ausstattung eines Menschen.

Insulin im Überfluss

Anders als beim Typ-1-Diabetes, wo die Bauchspeicheldrüse sehr rasch kein Insulin mehr produziert, ist beim Typ-2-Diabetes zunächst das Gegenteil der Fall: „Zunächst ist sogar mehr Insulin als normal im Umlauf. Denn das zentrale Problem beim Typ-2-Diabetes ist, dass das vom Körper produzierte Insulin seine Wirkung nicht mehr voll entfalten kann. Obwohl die Bauchspeicheldrüse produziert, besteht ein relativer Insulinmangel – man spricht von Insulinresistenz. Besonders begünstigt wird die Insulinresistenz durch das Bauchfett – Menschen mit einer „Apfelfigur“ sind hier deutlich im Nachteil. Erst im Laufe der Erkrankung geht dann die Produktion von Insulin in den Betazellen der Bauchspeicheldrüse zurück und es ist auch absolut zu wenig Insulin vorhanden“, erklärt der Diabetologe Dr. Stephan Kress aus Landau in der Pfalz die Zusammenhänge und ergänzt: „Der Verlauf der Erkrankung ist bei jedem Patienten etwas anders, das spiegelt sich auch in der Behandlung wider.“

Klaus, 53 Jahre alt, ist Lastwagenfahrer und tourt mit seinem LKW durch ganz Europa. Sein Vater ist vor ein paar Jahren an einem Herzinfarkt gestorben – dahinter steckte nach Aussage der Ärzte ein nicht erkannter Typ-2-Diabetes. So weit will es Klaus auf keinen Fall kommen lassen. „Nachdem mein Vater gestorben war, habe ich mich untersuchen lassen und da wurde auch bei mir Diabetes festgestellt. Das war vor zwei Jahren“, so Klaus.

„One fits all“ hat ausgedient

Der Arzt hat mit Klaus gemeinsam die Zielwerte seiner Blutzuckereinstellung festgelegt. Denn während früher in den ärztlichen Therapieleitlinien für alle Diabetespatienten ein HbA1c-Zielwert Wert von 6,5% gefordert wurde, geht man die Sache inzwischen differenzierter an. So gibt es heute einen Zielkorridor für den HbA1c-Wert zwischen 6,5 und 7,5%. Dabei wird für jeden Patienten ein individueller Zielwert festgelegt. Wichtige Kriterien sind dabei das Alter des Patienten, sein Unterzuckerungsrisiko, seine zusätzlichen Erkrankungen und seine persönlichen Bedürfnisse. Liegt der HbA1c-Wert dauerhaft unter sieben Prozent, ist das Risiko für Folgeerkrankungen des Diabetes nachweislich verringert.

Hans beispielsweise ist 70 Jahre alt, hat seit mehr als zehn Jahren Diabetes und sein Herz ist auch nicht mehr ganz fit. Sein Blutzuckerziel ist ein HbA1c von 7,5%. Anders bei Susanne. Sie war erst 42 als man bei ihr letztes Jahr Diabetes feststellte. Sie ist ansonsten ziemlich gesund möchte Langzeitfolgen unter allen Umständen vermeiden. Deshalb hat sie sich mit ihrem Arzt auf einen HbA1c von 6,5% als Zielwert geeinigt.

Gesunde Ernährung und Bewegung ist beim Typ-2-Diabetes entscheidend

Um das Blutzuckerziel zu erreichen, hat der Arzt Klaus dringend geraten, etwas an seinem Lebensstil zu ändern. Das ist die Grundlage jeder Behandlung des Typ-2-Diabetes. „Bei vielen Menschen mit beginnendem Diabetes lässt sich alleine mit einer Ernährungsumstellung und mehr Bewegung der Blutzucker schon in den Griff bekommen“, weiß Kress. Dazu Klaus: „Seit der Diagnose habe ich einiges geändert – ich bevorzuge jetzt Rastplätze, wo es außer Currywust auch ein paar gesunde Angebote gibt und ich sehe zu, dass ich zumindest ab und zu ein paar Schritte zu Fuß gehe.“ Doch das hat leider nicht ganz gereicht, den Diabetes in die Schranken zu weisen.

Deshalb ist bei Klaus jetzt eine medikamentöse Diabetestherapie nötig. Für eine gute Blutzuckereinstellung ist es wichtig, dass Klaus das vom Arzt verordnete Therapieregime einhält, beziehungsweise eventuell auftretende Probleme mit ihm Arzt bespricht. „Medikamente können nur dann helfen, wenn sie tatsächlich eingenommen werden. Klingt banal, ist aber eine der häufigsten Hintergründe, warum eine Therapie nicht gut läuft“, betont Kress und ergänzt: „Je mehr der Patient über die Erkrankung und die entsprechenden Arzneimittel weiß, umso leichter wird es ihm fallen die vom Arzt verordnete Therapie einzuhalten.“

Mit Metformin fängt es an

Wird mit einem veränderten Lebensstil das festgelegte Therapieziel nach drei bis sechs Monaten nicht erreicht, ist in fast allen ärztlichen Leitlinien zur Behandlung des Typ-2-Diabetes der Wirkstoff Metformin die erste Wahl. Metformin gehört zu den am längsten und am häufigsten eingesetzten oralen Antidiabetika (Zuckertabletten), trotzdem kennt man bis heute den exakten Wirkmechanismus nicht. „Die Vorteile von Metformin sind neben seiner wissenschaftlich gut belegten Wirksamkeit, die Tatsache, dass der Wirkstoff keine Unterzuckerungen hervorruft und nicht zu einer Gewichtszunahme beiträgt“, betont Kress.

Lässt sich mit Metformin alleine der Blutzuckerspiegel nicht mehr im anvisierten Bereich halten, wird in der Regel ein weiteres Medikament hinzugefügt. Dieses stufenweise Vorgehen nennt man Intensivierung der Therapie. Wann der Zeitpunkt für eine Intensivierung gekommen ist, ist individuell sehr unterschiedlich. Kress macht deutlich: „Dabei gibt es keine „Schuld“ – es liegt in der Natur der Erkrankung, dass sie fortschreitet. Wichtig ist, dass man einem Anstieg des HbA1c durch konsequente Behandlung begegnet.“

Kombinationstherapie

Metformin lässt sich mit zahlreichen anderen blutzuckersenkenden Arzneimitteln kombinieren. Jede dafür infrage kommende Wirkstoffgruppe hat ihre spezifischen Vor- und Nachteile. Die Auswahl eines bestimmten Kombinationspartners ist von mehreren Faktoren abhängig. Dazu gehört z. B. die Frage, wie stark der HbA1c-Wert gesenkt werden muss, individuelle Unverträglichkeiten, Verfügbarkeit und Kosten sowie die individuellen Bedürfnisse des Patienten.

„Für mich als Lastwagenfahrer ist natürlich wichtig, dass ich auf keinen Fall eine Unterzuckerung riskiere. Das könnte fatale Folgen haben“, so Klaus. Und Susanne sagt: „Ich will auf keinen irgendetwas spritzen – für mich kommen nur Tabletten in Frage.“

Häufig mit Metformin kombiniert werden sogenannte Sulfonylharnstoffe. „Auch diese Wirkstoffe kennt man schon sehr lange. Nachteilig wird angesehen, dass sie Unterzuckerungen auslösen und zu einer Gewichtszunahme führen können“, so die Einschätzung von Kress.

Ziemlich neu ist die Wirkstoffgruppe mit der komplizierten Abkürzung SGLT2. Sie fördern eine vermehrte Ausscheidung von Glukose über die Nieren. Der damit verbundene Kalorienverlust ist in der Regel auch mit einer Gewichtsabnahme verbunden und Hypoglykämien sind eher nicht zu befürchten. Für alle neuen Wirkstoffe – egal in welcher Indikation – gilt jedoch, dass erst Erfahrungen mit sehr vielen Patienten gesammelt werden müssen um eventuell seltene Nebenwirkungen aufdecken zu können.

Nicht mehr ganz so neu sind blutzuckersenkende Wirkstoffe, die ein bestimmtes Darmhormon, das GLP-1 beeinflussen. Dieses Hormon sorgt für eine glukoseabhängige Freisetzung von Insulin und verzögert die Magenentleerung. Diese und andere Mechanismen verbessern die Blutzuckerkontrolle. Das GLP-1 lässt sich auf zwei unterschiedlichen Wegen beeinflussen: Durch so genannte DPP-4-Hemmer und GLP-1-Agonisten. Die DPP-4-Hemmer können als Tabletten geschluckt werden. „Möglicherweise ist ihr Effekt aber nicht ganz so ausgeprägt wie der der GLP-1-Agonisten. Diese müssen dafür gespritzt werden“, weiß Kress.

Insulin – die Chance

Ist mit all diesen Wirkstoffe der Blutzucker nicht mehr zufriedenstellend eingestellt – z. B. weil der Diabetes inzwischen weiter fortgeschritten ist – kommt Insulin zum Einsatz. Das Stoffwechselhormon können Sie aber auch schon viel früher, z. B. als ersten Kombinationspartner von Metformin nutzen. „Insulin bietet dabei die Chance, den Blutzucker exakt in den Zielbereich zu titrieren“, betont Kress. Der Einstieg in die Insulintherapie erfolgt normalerweise mit einem langwirksamen Basalinsulin, das Sie einmal täglich spritzen. Das Basalinsulin können Sie dann stufenweise um ein Mahlzeiteninsulin ergänzen.

Das liegt Kress ganz besonders am Herzen: „Wenn die Therapie nicht klappt, ist es wichtig, dass der Patient weiß, dass der Arzt auf seiner Seite ist“, erklärt er und ergänzt: „Der Patient sollte Problem mit der Therapie beim Arzt ansprechen – gemeinsam kann man dann nach Lösungsmöglichkeiten suchen.“