Bessere Gesundheit

Yoga für Kopf und Körper

Zehn bis 15 Prozent aller Diabetesfälle sind laut Weltgesundheitsorganisation allein auf Bewegungsarmut zu- rückzuführen. Aber: 60 Prozent der Weltbevölkerung bewegt sich we-niger als eine halbe Stunde täglich, ein Zehntel aller Menschen überhaupt nicht. Kann Yoga eine Alternative für bisherige Bewegungsmuffel sein und wenn ja, wie?

Wer sich bewegt, beeinflusst Blutzucker, Blutdruck, Cholesterinspiegel und Insulinresistenz positiv. „Um die Gesundheit zu erhalten oder zu verbessern, genügt eine geringe körperliche Aktivität. Sie muss aber regelmäßig sein und im Prinzip lebenslänglich aufrechterhalten werden“, erklärt die Diabetes-Stiftung und empfiehlt: Treppe statt Fahrstuhl, Radfahren statt Auto. Gartenarbeit oder Spazierengehen mit dem Hund. Mindestens drei mal 30 Minuten pro Woche, besser täglich 30 bis 60 Minuten.

Yoga ist Bewegung und Entspannung

Yoga ist eine jahrtausendealte indische Lehre – keine Religion, wie man zuweilen liest. Übungen, sogenannte Asanas, sollen Körper, Geist und Seele in Einklang bringen. Yoga baut Stress ab, fördert eine gesunde Körperhaltung und verbessert die Beweglichkeit. Der bedeutende indische Yogalehrer B.K.S. Iyengar erklärt es so: „Yoga ist die Methode, durch die der unstete Geist beruhigt und die Energie in schöpferische Bahnen gelenkt wird.” Dabei versteht sich „Yoga nicht als Rückzug von dieser Welt, sondern ist immer mit dem Alltäglichen verbunden“, betonte die italienische Yogalehrerin Vanda Scaravelli.

Es gibt unzählige Yogaformen, Stile und Traditionen. Hatha-Yoga ist in der westlichen Welt am bekanntesten. „Es ist die einzige Yogaform, die sich mit der Disziplin des Körpers befasst und die Selbstheilungskräfte aktiviert“, sagt Cornelia Groß, Geschäftsführerin des 1. Yoga- und Vitalzentrums Medita in Dresden.

Yoga bei Diabetes – hilft das?

Weltweit liegen mehrere tausend wissenschaftliche Studien zur Wirkung von Yoga vor. Bereits 1980 wiesen indische Wissenschaftler nach, dass Yoga-übende Diabetiker ihren Blutzuckerspiegel und den Harn-  zuckergehalt deutlich senken konnten. Bei 70 Prozent reduzierte sich das Gewicht. Einer Studie des Fred Hutchinson Krebsforschungszentrums in Seattle zufolge profitierten vor allem übergewichtige Männer und Frauen zwischen 45 und 55 von regelmäßigen Yogaübungen. Die Yogapraxis hatte einen weiteren Nebeneffekt: Sie erhöhte die Achtsamkeit beim Essen. Die Klienten aßen bewusst und hörten auf, wenn sie den Sättigungseffekt spürten.

Eine Studie der Abteilung Naturheilkunde am Immanuel- Krankenhaus Berlin-Wannsee wies nach, dass Yoga bei gestressten Frauen effektiv ist. In einem Iyengar- Yogakurs hatten die durchschnittlich 38 Jahre alten Frauen zweimal wöchentlich 1,5 Stunden vorwiegend Vorwärtsbeugen, Stehhaltungen und den Schulterstand geübt. Nach drei Monaten war die Cortisol-Konzentration im Blut auffallend gesunken. Warum Yoga gut für die körperliche und mentale Gesundheit ist, ist noch nicht ganz klar. Forscher der Universität Oslo fanden jedoch heraus, dass Yoga auch auf Zellen des Immunsystems wirkt. Sie wiesen nach, dass Yoga 111 Gene veränderte, während Musik und Spaziergänge nur 38 Gene beeinflussten. Daraus folgern die Wissenschaftler eine Langzeitwirkung durch Yoga auf die molekulare Ebene. Eine aktuelle Studie der Universität Kalifornien ergab, dass Yoga mehr Unterhautfett reduzie- ren kann als einfaches Stretching. Diabetes-Experten wie der Düsseldorfer Professor für Endokrinologie, Diabetologie und Rheumatologie, Werner A. Scherbaum, befürworten Yoga anhand der Studienlage „als effektive Therapie zur Verminderung des oxidativen Stress bei Typ-2-Diabetes“.

Yoga für die Seele

„Yoga ist eine sehr gute Möglichkeit zu uns selbst zu finden. Denn durch endlose To-Do-Listen und die Anforderungen des Alltags sind wir ständig im Außen und fast nie im Innen“, erklärt Yoga-Spezialistin Madeleine Eggler. Was sie damit genau meint, deutet schon das Wort Yoga an sich an. Es stammt vom Wort Yui aus dem Sanskrit ab und bedeutet so viel wie „verbinden“, „andoggen“. „Ursprünglich war damit die Suche nach dem Sinn des Ganzen und das Andoggen an etwas Göttliches gemeint. In der heutigen schnelllebigen Zeit hat sich diese ursprüngliche Yoga- und Meditationspraxis jedoch stark gewandelt“, so Madeleine Eggler. „Heute wollen wir nicht mehr die direkte Erleuchtung finden, sondern in erster Linie wieder eine Verbindung zu uns selbst finden“, erklärt die Yogaspezialistin weiter. „Für mich als Lehrerin ist das erste Ziel mit einer Yogaklasse die Herstellung einer Verbindung von Körper und Geist. Sich selber spüren und wahrnehmen ist das Ziel. Dabei spielen philosophische Konzepte erst einmal keine Rolle.“ So lehrt sie vor allem moderne Stilrichtungen, die in Europa und den USA entstanden sind und traditionelles Wissen mit neuem Know-how verbinden. Diese modernen Formen des Yoga versuchen, das Alte und Ursprüngliche zu ehren und trotzdem Fortschritte zu erlangen, angepasst an die Bedürfnisse von heute, die nicht mehr die gleichen sind wie vor mehreren hundert Jahren in Indien. Yoga heißt jetzt nicht mehr, die Verbindung mit dem Göttlichen zu finden, sondern mit sich selbst. Doch wie schafft man das?

„Das fängt beim Yoga mit ganz banalen Dingen im Sinne der Achtsamkeit an. Zum Beispiel indem man sich Zeit für sich selbst nimmt, und bewusst darüber nachdenkt, wie man seine Füße platziert. Oder bewusst in sich hört und seinen Atem spürt“, verrät die Yogalehrerin. Außerdem ist es wichtig, zu lernen, wie man etwas wahrnimmt, ohne es zu bewerten: „Beim Yoga geht es darum, bewusst zu analysieren, was gerade passiert – wie ein neutraler Beobachter. Man kann sich das vorstellen wie ein Rauszoomen oder von Außen betrachten“, so Eggler. In einer Yogastunde könnte sich das anstatt einer Selbstkritik beispielsweise so anhören: „Ah, jetzt denke ich schon zum zehnten Mal darüber nach, dass ich in der Grundhaltung viel tiefer gehen sollte. Ah, jetzt denke ich gerade darüber nach, dass ich Hunger habe.“ Es findet also eine neutrale Reflektion der eigenen Gedanken statt. Yoga im Sinne von Meditation bedeutet in der heutigen Zeit also nicht, dass man Gedanken ausschalten möchte, sondern dass man lernt, Gedanken neutral zu betrachten und nicht negativ zu bewerten. Diese Achtsamkeit und neutrale Betrachtungsweise ist es schließlich, die zu Entspannung führt. „Mit Yoga lernt man Momente so anzunehmen, wie sie gerade sind. Ich kann keine Entspannung erlangen, wenn ich nicht den Moment und auch Fehler anerkenne“, sagt Eggler. Und nur wer entspannt ist, kann auch schön sein. Denn innere Ausgeglichenheit führt letztendlich zu Schönheit.

„Erst wenn ich abwertende Gedanken aus der ‚Ich hätte, sollte, könnte-Reihe‘ oder Gedanken, die mich selbst klein machen, wie ‚Ich bin zu dick‘, neutral bewerten kann, erst dann bin ich in der Lage mich selbst anzunehmen.“ Modernes Yoga hilft also dabei, sich schöner zu fühlen. Es zeigt, wie man sich selbst die beste Freundin wird. Und macht so letztendlich schöner.

Yoga für die Ausstrahlung

Nicht umsonst gibt es die Redensart, dass das Erscheinungsbild ein Spiegel der Seele ist. Wenn man mit der Seele und dem Geist arbeitet, dann führt das zwangsläufig zu Schönheit, die von außen sichtbar ist. „Wirkliche Schönheit, Anmut und Selbstbewusstsein sind Qualitäten, die sich zuallererst aus unserem Inneren heraus entwickeln“, ist die Yogalehrerin überzeugt. „Erst durch die Auseinandersetzung mit unseren positiven Eigenschaften aber auch mit unseren Fehlern, Makeln und Defiziten, lernen wir in Balance zu leben.“ Dieses innere Gleichgewicht schafft langsam, Schritt für Schritt, eine Wandlung. So wie sich das Innere verwandelt, so wandelt sich auch der Umgang mit dem Außen. Yoga hilft also, die Möglichkeiten des eigenen Körpers im Gesamten auszuschöpfen und das Innere nach außen zu tragen, nach außen zu strahlen. Zudem wird der eigene Körper als Träger von wundervollen Eigenschaften immer wichtiger. Man beginnt sich zu pflegen, auf die Ernährung zu achten und die Verbindung zur Natur intensiver zu spüren. Man lebt nach und nach bewusster, nimmt seinen Körper und so auch sein Leben und seine Umgebung besser wahr. „Und wenn ich meinen Körper als heiliges Gefäß wahrnehme, habe ich auch keine Lust mehr, jeden Tag schlechte Nahrung in dieses Gefäß zu pumpen“, erklärt Madeleine Eggler. „In meiner Erfahrung lernt man durch Achtsamkeit intuitivere Entscheidungen zu treffen und somit steht man in einem besseren Kontakt zu dem, was man wirklich braucht und will und was einem selber gut tut. Das betrifft dann nicht nur das Essen, sondern den gesamten Umgang mit dem eigenen Körper und Leben. Das schafft die Voraussetzung, Schönheit auf allen Ebenen unseres Seins zu verwirklichen.“

Yoga für Anfänger

Für alle, denen dies am Anfang schwer fällt, ist Yoga natürlich auch eine Möglichkeit, den Körper durch aktive Bewegung zu spüren. Auch dadurch können positive Körperergebnisse erlangt werden. So strafft Yoga den Körper, sorgt für eine gesunde Körperhaltung, eine stärkere Muskulatur und für eine bessere Durchblutung und Sauerstoffversorgung, die zu Entschlackung und Entgiftung führt. Auch in diesem Sinne kann Yoga schön machen, denn ein gesunder Körper führt zu Schönheit. Doch Madeleine Eggler ist sich sicher: „Wer mit dem Anspruch zum Yoga kommt, sich lediglich auspowern zu wollen, der wird schnell merken, dass mehr vor sich geht. Yoga ist immer als Gesamtpaket von Körper und Geist zu verstehen und schafft eine Verbindung von beiden.“ Und strahlend ergänzt sie: „Die einen sind von Anfang an empfänglich, andere brauchen länger. Aber Yoga wirkt, ob man es möchte, oder nicht.“