Bessere Gesundheit

Training für den ganzen Körper

Faszien-Yoga trainiert nicht nur die Faszien und die Muskeln, vielmehr werden unter anderem auch das Nervensystem, der Kreislauf, die Atmung und die Lymphe mit einbezogen. Dieses ganzheitliche Training verbessert Ihre Körperwahrnehmung und hilft, Verspannungen oder Fehlhaltungen vorzubeugen und zu korrigieren.

Wenn sich ein Körperteil bewegt, reagiert der Körper in seiner Gesamtheit. Und das einzige Gewebe, das diese Bewegungsübertragung im ganzen Körper kommuniziert, ist das Bindegewebe.“ Diesen Satz notierte sich der Yoga-Lehrer Mattheus Els zu Beginn seiner Rolfing- Ausbildung. Er erklärt an einem Beispiel, was dies bedeutet: „Wenn wir im Stehen nur die linke große Zehe heben, bewegen sich im Körper auch andere Bereiche. So reagieren dabei auch das linke Bein und das Becken.“

Was früher umgangssprachlich als „Bindegewebe“ bezeichnet wurde, wird heute „Faszien“ genannt. Sie sind in den letzten zehn Jahren immer mehr ins Zentrum der Forschung und der Medien geraten, vor allem nach der ersten internationalen Faszienkonferenz im Jahr 2007. Dort einigten sich Experten darauf, dass das gesamte Bindegewebe aus gleichen Bestandteilen aufgebaut ist und einen Teil des Spannungsnetzwerkes im Körper bildet. Bis heute hat diese Definition Bestand.

Ein körperweites Spannungsnetz

„Die Faszien bilden ein den ganzen Körper umhüllendes und verbindendes Gewebe aus Kollagenfasern, gewissermaßen ein körperweites Spannungsnetz, das der Kraftübertragung dient“, beschreibt Mattheus Els. Im gängigen Modell unseres Stütz- und Bewegungsapparates werden die Knochen durch die Skelettmuskulatur bewegt, wobei die Kraftübertragung vom Muskel auf den Knochen den Sehnen obliegt. „Tatsächlich sind darin aber auch die Faszien involviert“, fügt der Experte hinzu. „Bis zu 40 Prozent der Kontraktionskraft eines Muskels wird nicht durch eine spezielle Sehne, sondern durch die fasziale Verbindung zum Muskel gesendet.“

Taucheranzug unter der Haut

Faszien werde in verschiedene Gewebeschichten aufgeteilt: Zum einen die Körper umhüllende, zum anderen die verschiedene Teile verbindende. Erstere befindet sich direkt unter der Haut und ist teilweise mit dem Fettgewebe verwoben. Diese dünne Schicht besitzt in einem gesunden Körper eine enorme Zugspannung. „Faszien geben nicht nur den Muskeln ihre Form, sondern verlaufen auch in den Organen und um diese herum. Sie bilden eine zusammenhängende Gewebeschicht unter der Haut, fast wie ein Taucheranzug“, erklärt Mattheus Els.

Ein wenig tiefer unter der Haut befinden sich die sogenannten „tiefen Faszien“. Sie unterteilen die Muskeln in funktionale Einheiten. Demnach wird jeder Muskel von einer Faszienschicht umhüllt, wobei auch die einzelnen Umhüllungen wiederum miteinander verbunden sind. Außerdem bilden die Faszien zwischen den Muskeln Trennwände. Sie sorgen also gleichzeitig für Trennung und Verbindung. Abgesehen von der Funktion der Trennung der Muskeln erfüllen Faszien weitere wichtige Aufgaben. So wird auch die Lymphe zwischen den Faszien abgeleitet. Diese Flüssigkeit transportiert nicht nur Abbauprodukte aus unseren Zellen, sondern auch wichtige Aufbaustoffe zu den Zellen. Dabei unterstützt jede Muskelbewegung den Transport der Lymphe.

Unsere Faszien brauchen Bewegung

Unser Alltag besteht zum Großteil aus sich häufig wiederholenden, gleichen Bewegungen: Das Sitzen am Schreibtisch, das Tippen auf der Tastatur oder das Schalten im Auto. Es kann eine Versteifung oder Verkürzung des Muskels auftreten. Dagegen hilft nur Bewegung und Dehnung in die Gegenrichtung. Doch auch Bewegungsmangel oder zunehmendes Alter können das Gewebe dehydrieren und somit dazu beitragen, dass die Faszien an Elastizität und Bewegungsfähigkeit verlieren. Das Gewebe verfilzt regelrecht, da sich die Kollagen- und die Elastinfasern vernetzen oder verkleben“, sagt der Yoga-Lehrer und ergänzt: „Die Verklebung beeinflusst auch die Flüssigkeit der Fasziengrundsubstanz negativ. Sie wird zähflüssiger, was wiederum zur Verminderung des Stoffaustauschs im Gewebe führt.“ Faszien sind nicht selten auch für Schmerzen im unteren Rücken sowie für Verspannungsschmerzen in Schultern und Nacken verantwortlich.

Was Faszien-Yoga bewirken kann

Durch das neue Wissen um die Faszien kann auch im Yoga effektiver geübt und vorbeugend gegen Rückenschmerzen und andere Beschwerden vorgegangen werden. Für Menschen mit Diabetes ist zudem der Aspekt der körperlichen An- und Entspannung hervorzuheben. So kann Stress, der zum einen durch die chronische Erkrankung entsteht und sich zum anderen negativ auf die Blutzuckereinstellung und den Stoffwechsel auswirkt, reduziert werden. Das positive Körpergefühl, das durch das Faszien- Training entsteht, sorgt für einen zusätzlichen Wohlfühl-Effekt. Das Training kann dabei individuell auf Ihre körperliche Situation angepasst werden. So wird die Beweglichkeit ganzheitlich auf sanfte Art und Weise gesteigert.

Muskeln und Faszien als starkes Team

„Natürlich trainieren wir beim Yoga die Faszien und Muskeln nicht getrennt voneinander“, bemerkt der erfahrene Trainer Mattheus Els. Vielmehr könnten gleichzeitig das Nervensystem, der Kreislauf, die Atmung, die Lymphe und dergleichen involviert sein. Muskeln und Faszien reagieren unterschiedlich auf Training. Deshalb braucht das Bindegewebe andere wirksame Trainingsimpulse als die Muskelfasern.

Faszien brauchen zudem mehr als nur Dehnung und Streckung, wie man es üblicherweise im Yoga kennt und praktiziert. Die folgenden Übungen mit und ohne Faszienrolle sorgen für Abwechslung und unterschiedliche Trainingsanreize im Körper. Der Druck der Faszienrollen regt zudem den Stoffwechsel im Gewebe an. Dadurch verbessert sich nicht nur der Stoffwechsel und der Lymphabfluss, sondern gleichzeitig werden auch die Faszien belebt.

Wikinger oder Schlangenmensch?

„Bevor Sie mit dem Faszienyoga beginnen, ist es ratsam, Ihren Bindegewebstyp zu kennen“, empfiehlt Mattheus Els. „Wir streben eine andauernde Elastizität an, damit die Faszien eine hohe Spannung aushalten und diese auch weitergeben können. Der Forscher Dr. Robert Schleip hat eine Einteilungsskala vorgeschlagen. Sie reicht vom Wikinger (einer Person mit sehr festem Bindegewebe) bis zum Schlangenmenschen (einer Person mit sehr weichem Bindegewebe). „Meiner Erfahrung nach gibt es in der Wikingerkategorie mehr Männer als Frauen“, sagt der Yoga-Lehrer. „Ich denke das ist auch einer der Gründe, warum sich viele Männer nicht von Yoga angesprochen fühlen.“

Beide Bindegewebstypen haben ihre „Schwachstellen“. Während weiche Typen öfter unter Gleitwirbeln, Cellulitis und Dehnungsstreifen leiden, haben Wikinger häufig Probleme mit der Achillessehne oder den Schultern. Die meisten Menschen sind allerdings im mittleren Bereich der Skala zwischen Schlangenmensch und Wikinger zu finden.

Typgerechtes Faszientraining

Wer seinen Typ kennt, kann die Übungspraxis entsprechend anpassen. Schlangenmenschen rät Mattheus ELs dazu, die entspannten Dehnungsvariationen zu meiden und sich auf kleine Wippbewegungen in den Übungen zu konzentrieren. So wird das Bindegewebe gestrafft. Beim Wikinger soll gerade dieser Aspekt allerdings vermieden werden. Menschen mit festem Bindegewebe sollten sich auf lang anhaltende Asanas und unterschiedliche Dehnübungen einlassen. Dabei ist es wichtig, konzentriert mit der Atmung zu arbeiten, um die Dehnung zu steigern. So wird effektiv an der Elastizität der Faszien gearbeitet. Den Test finden Sie in dem von uns vorgestellten Buch, oder im Internet unter www.randomhouse.de. Geben Sie einfach das Suchwort „Faszien-ABC“ ein.