Stärker werden

Stützen im Alltag

Familie, Partner, Freunde und Ärzte – sie alle sind wichtige Stützen im Alltag, die Ihnen helfen, besser mit dem Diabetes zurechtzukommen. Dazu ist es wichtig, aufeinander zuzugehen, Ängste abzubauen und offen miteinander zu kommunizieren.

Jeder Mensch versucht auf seine Art und Weise das Leben zu meistern. Eine chronische Erkrankung wie Diabetes stellt Betroffene dabei vor immer wieder neue Herausforderungen. Das bemerken auch Angehörige, Freunde oder Partner, die daraufhin meist gerne ihre Unterstützung anbieten. Doch häufig haben Menschen mit Diabetes Bedenken, Hilfe anzunehmen. Sie fürchten, dass sie ihr Umfeld belasten könnten und versuchen deshalb, alle auftretenden Probleme alleine zu lösen. Diese Situation kennt auch Lena. Die 31-jährige Versicherungskauffrau aus der Nähe von Bielefeld ist seit 13 Jahren Typ-1-Diabetikerin.

So auch als sie ihren damaligen Partner Thomas kennenlernte. „Anfangs habe ich versucht, den Diabetes geheim zu halten. Das war nicht leicht. Vor allem hat es mich viel Kraft gekostet, Blutzuckerschwankungen zu verbergen“, erzählt sie und erklärt: „Ich hatte Angst, dass Thomas mit meiner Krankheit überfordert sein könnte und ich wollte einfach so normal wie möglich auf ihn wirken.“ Heute kann Lena über ihr Verhalten in der Kennenlernphase lachen, denn nachdem sie sich ihrem Freund öffnete, sind die zwei zu einem echten Team geworden. „Thomas hat sehr positiv reagiert und wollte alles über den Diabetes wissen“, erinnert sich Lena. „Durch sein Interesse und seine offene Art habe ich ehrliche Unterstützung erlebt, die ich so zuvor nicht kannte. Das alles erleichtert mir den Alltag und gibt mir mehr Sicherheit im Umgang mit der Krankheit.“

Offenheit stärkt das Vertrauen

Ein offener Umgang mit dem Diabetes fällt nicht jedem leicht. Die Gründe dafür sind vielfältig. Hinzu kommt, dass die meisten Menschen wenig über die chronische Erkrankung wissen und die Medien immer wieder recht einseitige, oberflächliche Informationen verbreiten. In der Regel wird über Typ-2-Diabetes berichtet. Mit ein paar einfachen Maßnahmen wie Diät und Sport scheint sich dieser leicht therapieren zu lassen. Wenn einmal kritischer informiert wird, dann geht es häufig um Unterzuckerungen und deren Gefahren oder um Folgeschäden.

Doch wie komplex die Volkskrankheit Diabetes wirklich ist, wie sich die einzelnen Typen unterscheiden, warum nicht nur niedrige, sondern auch zu hohe Blutzuckerwerte den Körper stark belasten und welche Auswirkungen das auf die Psyche hat, wird nur selten für ein breiteres Publikum thematisiert. „Ich erlebe es oft, dass Freunde mich neugierig über den Diabetes, meine Insulinpumpe oder mein Messgerät ausfragen“, sagt Lena. „Früher versuchte ich dann, alles möglichst einfach zu erklären. Ich merkte dabei aber, dass auch ich die Komplexität herunterspielte und selten zugab, wie sehr mich der Diabetes im alltäglichen Leben belastet.“

Gleichzeitig wünschte sich Lena, dass ihr jemand ein wenig Last von den Schultern nimmt. Doch wie sollte das gehen, wenn sie die Wahrheit verschwieg? Der erste Schritt zu einem besseren Umgang mit dem Diabetes lag also darin, sich zu öffnen. „Es klingt einfach, sich selbst etwas einzugestehen, aber ich habe eine Weile gebraucht, bis ich sagen konnte, dass es nicht leicht ist mit einer chronischen Krankheit zu leben“, erklärt die junge Frau, die überrascht war, wieviel Verständnis ihr auf einmal entgegengebracht wurde. Durch das Verständnis wuchs auch das Vertrauen. Lena konnte sich weiter öffnen und die Last wurde leichter.

Von und mit Freunden lernen

„So einfach es war, mit meinen Freunden über den Diabetes zu sprechen, so groß war die Hürde für mich in Beziehungen“, gibt Lena zu. Sie schaut auf ihre Hände, die locker eine Kaffeetasse umschließen, und erzählt weiter: „Ich denke viele kennen Situationen, in denen man die Krankheit verdrängt.

Dann möchte man einfach nichts erklären und nicht über Blutzuckerwerte oder Unterzuckerungen reden.“ Doch dieses Verdrängen führte bei Lena dazu, dass sie in der Beziehung mit Thomas ein Versteckspiel mit sich selbst spielte. In dieser Zeit kämpfte sie immer wieder mit Blutzuckerschwankungen und Unterzuckerungen in der Nacht. All das versuchte die Typ-1-Diabetikerin vor ihrem Partner zu verheimlichen. „Es war eine enorme körperliche und psychische Belastung für mich und für die Beziehung“, sagt Lena, die sogar hohe Blutzuckerwerte vor dem Einschlafen in Kauf nahm, um in der Nacht nicht zu unterzuckern und ihren Freund nicht zu wecken. Auch wenn dieser damals immer wieder seine Hilfe anbot, Lena konnte sie nicht annehmen.

Die Beziehung zerbrach nach anderthalb Jahren. „Ich war völlig fertig und zog zu einer Freundin“, erinnert sich Lena und fügt hinzu: „Mit ihr sprach ich über mein Problem mich zu öffnen und erzählte ihr, dass ich den Diabetes lange verdrängt hatte. Sie reagierte einfach nur toll, nahm mich in den Arm und versprach mir, mich dabei zu unterstützen einen neuen Umgang mit der Krankheit zu entwickeln.“

Raus aus alten Mustern

Wir alle haben unsere Muster. Viele davon haben wir über Jahre gepflegt und verinnerlicht. Nicht selten werden aus ihnen Glaubenssätze. Dann spricht auf einmal die Unsicherheit oder die Angst mit lauter Stimme zu uns und sorgt dafür, dass wir in den gewohnten Mustern verharren. Wer gelernt hat, den Diabetes zu verschweigen oder zu verdrängen, der muss sich zunächst diesen gewohnten Verhaltensweisen bewusst werden, bevor er sie ändern kann.

Auch wenn sich bestimmte Glaubenssätze hartnäckig im Kopf zu halten scheinen, entsprechen sie doch in den wenigsten Fällen wirklich unserer persönlichen Überzeugung. Oder denken Sie beispielsweise tatsächlich, dass Sie aufgrund Ihres Diabetes weniger liebenswert seien, dass Sie immer eine Sonderrolle spielen oder andere nur belasten würden? Unsere negativen Muster und Glaubenssätze sind mächtig. Sie sind in der Lage, uns davon abzuhalten, Hilfe und Unterstützung anzunehmen. Sie machen uns zum ungewollten Einzelkämpfer, lassen uns mit der Einsamkeit allein und sorgen für Frust und Misstrauen.

Halten Sie sich selbst den Spiegel vor, um Ihre Muster und Glaubenssätze zu entlarven. Dabei kann auch eine Therapie helfen, denn nicht selten haben sich längst Ängste oder Sorgen hinzugesellt, während andere Emotionen oder Erlebnisse verdrängt wurden. Es ist nie zu spät, den Blick nach innen zu richten, sich selbst besser kennenzulernen und neue Wege zu gehen. Dazu ist es wichtig, kleine Schritte in die richtige Richtung zu machen und dabei positive Erfahrungen zu sammeln.

Natürlich ist keiner vor Rückschlägen gefeit, aber mit einem Koffer aus Optimismus können sie einen nicht mehr erschüttern. Suchen Sie wie Lena zunächst das Gespräch mit einer vertrauten Person und reden Sie über den Diabetes, über Ihre Ängste, Ihre Erfahrungen und Ihre Wünsche. Aber auch über offene Fragen oder Ängste Ihres Gegenübers. Überlegen Sie, welche Art von Unterstützung Ihnen helfen könnte. Vielleicht brauchen Sie jemanden, der ab und zu über Ihr Protokoll schaut, der mit Ihnen zum Arzt geht oder der Sie in Bezug auf die Diabetestherapie motiviert. Mit dieser positiven Erfahrung und dem Halt sind Sie gestärkt für weitere Schritte.

Tipps für einen besseren Umgang mit dem Diabetes:

Alleine kämpfen lohnt sich nicht

Versuchen Sie auch alles im Leben lieber alleine zu regeln? Wenn der Diabetes zur Belastung wird und Probleme auftauchen, dann werden diese häufig zunächst verdrängt. Frust und Angst machen sich breit und es bleibt wenig Kraft oder Motivation, um das Diabetesmanagement anzupacken. Machen Sie Schluss mit der Vorstellung, dass Sie als Einzelkämpfer besser dran sind. Suchen Sie sich Menschen, die Ihnen den Rücken stärken, die Sie motivieren, aber auch trösten. Mit denen Sie über den Diabetes reden, Neues lernen und Gewohntes endlich besser verstehen können.

Stellen Sie Ihr Team zusammen

Unterschiedliche Menschen können eine wertvolle Stütze für Sie im Alltag mit dem Diabetes sein. Werden Sie zum Teambuilder und überlegen Sie, was Ihnen wichtig ist. Vielleicht brauchen Sie Motivation, um Ihren Diabetes besser managen zu können, oder Sie wünschen sich Unterstützung in Sachen gesunder Ernährung. Womöglich fehlt Ihnen jemand, mit dem Sie offen über Ihre Ängste und Sorgen, über Rückschritte, aber auch über die positiven Dinge reden können. Von wem bekommen Sie hingegen fachliche Tipps, zum Beispiel, wenn Sie bei Blutzuckerschwankungen nach den Ursachen forschen? Neben Familienmitgliedern, Freunden, Kollegen oder dem Partner, können auch Ärzte und Diabetesberater helfen.

Die Grenzen kennen und respektieren

Während Sie sich mit Ihrem Partner oder Freunden beispielsweise gemeinsam genauer über den Diabetes informieren können und sie gleichzeitig auch ein Fels in der Brandung bei Sorgen sind, sollten Sie bemüht sein, immer die Grenzen Ihres Gegenübers zu respektieren. Sprechen Sie offen darüber, inwieweit andere in der Lage sind, Sie zu unterstützen, ohne die Hilfe als Belastung zu empfinden. Es mag Zeiten geben, in denen Familienmitglieder, Freunde oder Partner selbst eine helfende Hand benötigen und dies sollte respektiert werden. Ebenso haben auch Sie sicher bestimmte Grenzen, die Sie anderen mitteilen sollten.

Sorgen und Ängste abbauen

Stellen Sie sich vor, ein Ihnen vertrauter Mensch erzählt Ihnen auf einmal, dass er krank und auf Medikamente angewiesen sei – und zwar sein Leben lang. Bestimmt würden Sie sich sorgen oder hätten sogar mehr oder weniger große Angst um diese Person. Andere Menschen sind nicht selten überfordert, wenn ein geliebter Mensch plötzlich unterzuckert, zittert oder sogar das Bewusstsein verliert. Ebenso können Blutzuckerschwankungen zur Belastungsprobe werden. Sprechen Sie mit Ihrer Familie, Ihren Freunden und anderen wichtigen Menschen in Ihrem Umfeld über den Diabetes. Versuchen Sie dabei Sorgen und Ängste abzubauen.

Schluss mit Geheimnissen oder Notlügen

„Geheimnisse? Ich doch nicht!“, denken Sie jetzt womöglich. Doch wenn Sie genauer nachdenken fallen Ihnen bestimmt ein paar Situationen ein, in denen Sie nicht ganz ehrlich zu anderen oder zu sich selbst in Bezug auf den Diabetes waren. Vielleicht haben Sie falsche Blutzuckerwerte in das Protokoll eingetragen, die Krankheit lieber verheimlicht oder in der Öffentlichkeit auf das Spritzen von Insulin verzichtet, um keine Aufmerksamkeit zu erregen.

Doch Ehrlichkeit und ein offener Umgang mit dem Diabetes können wichtige Schritte zu einer besseren Akzeptanz sein. Sprechen Sie mit vertrauten Personen darüber und bitten Sie um Unterstützung bei diesem Prozess. Zum Beispiel könnte eine gute Freundin Sie zum Diabetologen begleiten und Ihnen helfen, ein besseres Vertrauensverhältnis zu Ihrem Arzt aufzubauen. Oder Sie suchen zunächst das Gespräch mit Ihrer Diabetesberaterin.

Gemeinsam lernen und wachsen

Geben Sie sich und anderen die Chance, gemeinsam zusammenzuwachsen. Selbst Familienangehörige brauchen Zeit, um einen Weg zu finden, wie sie mit dem Diabetes umgehen und Sie am besten unterstützen können. Erwarten Sie nicht, dass andere fehlerfrei sind, sondern versuchen Sie sich ab und zu in die Lage Ihres Gegenübers zu versetzen.

Lassen Sie sich nicht unterkriegen

Ihnen werden immer wieder Menschen begegnen, die respektlos sind, kein Verständnis zeigen, oder Sie verletzen. Manchmal ist es nicht einfach, darüber hinwegzusehen. Doch all die unangenehmen Begegnungen und die damit verbundenen Kränkungen können Ihnen nichts anhaben, wenn Sie eine gewisse innere Stärke entwickelt haben. Wichtig ist, dass Sie einen Weg finden, mit dem Diabetes durchs Leben zu gehen. Auch dabei können Ihnen Familienangehörige, Freunde, Partner, Ärzte und Co. helfen.

Positive Erfahrungen sammeln

Haben Sie Schwierigkeiten, mit anderen über den Diabetes, Ihre Sorgen und Ängste zu sprechen? Dann fordern Sie sich selbst heraus und versuchen Sie sich Schritt für Schritt anderen zu öffnen. Für manche Menschen mit einer chronischen Erkrankung ist eine gewisse Einsamkeit zur Gewohnheit geworden. Doch alte Muster lassen sich umprogrammieren und wir sind unser Leben lang in der Lage, neue Erfahrungen zu machen. Denken sie an einen Menschen, dem Sie alles erzählen können und dem Sie sich gerne öffnen.