Körper, Geist & Seele
Haben Sie schon mal etwas von Qigong gehört? Hinter diesen Namen verbirgt sich ein chinesisches Bewegungs-, Konzentrations- und Meditationssystem, dessen Übungen teilweise über 2000 Jahre alt sind. Menschen mit Diabetes können in vielerlei Hinsicht von Qigong profitieren und so nicht nur mehr Bewegung in ihr Leben bringen.
So manches Fitnessstudio bietet mittlerweile Qigong-Kurse an. Doch was wie eine Trendsportart erscheint, ist in Wirklichkeit ein traditionelles chinesisches Übungssystem, welches sowohl in der Kampfkunst als auch in der Meditation verwendet wird und aus Körper-, Atem- und Entspannungsübungen besteht. Zudem ist Qigong neben der Arzneitherapie, der Akupunktur, Massagetechniken und individuellen Diätetikprogrammen eine der fünf Grundsäulen, auf denen die Traditionelle Chinesische Medizin aufbaut. Dabei sind die Übungen und das Wirkungsspektrum von Qigong vielfältig. Über hunderte von Jahren wurden die Übungen der alten Heilkunst an Millionen von Menschen empirisch erforscht und entwickelt. Allerdings gibt es den Begriff „Qigong“ erst seit den 1950er Jahren. Unter dieser Bezeichnung werden alle Übungen zusammengefasst, mit denen die Lebensenergie Qi im eigenen Körper beeinflusst und gesteuert werden kann.
Stärkung von innen
Im asiatischen Denken ist der Begriff „Qi“, der mit „Lebensenergie“ übersetzt wird, eine zentrale Kategorie. Es gibt zwei Arten von Qi: Das angeborene, sozusagen die geerbte Lebensenergie, und das erworbene Qi, welches wir unter anderem durch Nahrung und Atmung aufnehmen. Auch die jeweilige Lebensführung, so wie körperliche und psychische Belastungen wirken sich auf Qi aus. Die Energie wird aber nicht nur aufgenommen, sondern auch abgegeben, da alles auf dieser Welt in Zyklen abläuft. Das geschieht beispielsweise durch das Ausatmen oder die Interaktion mit anderen Menschen. Hingegen kann „Gong“ mit „beständigem Üben“, „Arbeit“ oder „Pflege“ übersetzt werden. So ergibt sich aus der Zusammensetzung von „Qi“ und „Gong“ die Arbeit mit der Lebensenergie und deren Pflege.
Wenn wir uns im Alltag erschöpft und kraftlos fühlen, denken wir häufig, die Energiespeicher über das Außen füllen zu müssen. Weniger Arbeiten, besser Essen, mehr Ruhe. Diese Ansätze sind nicht falsch, aber wir vergessen dabei, dass viel Kraft in uns selbst steckt. Mit der Pflege des Qi ist eine Art Selbstnährung des eigenen Körpers gemeint. Der Gedanke dabei ist, die Lebensenergie von innen selbst zu stärken. Bei der Erhaltung, Stärkung und dem Ausgleich dieser sollen die sanften und langsamen Qigong-Übungen helfen, Aufmerksamkeit, Atmung und Bewegung zu vereinen. Auch wenn manche Übungen komplexe Bewegungsabläufe fordern, kann Qigong altersunabhängig und selbst mit gesundheitlichen Einschränkungen geübt werden.
Dadurch dass die Wahrnehmung vertieft und körpereigene Prozesse wieder spürbar werden, kommt der Übende immer mehr in Kontakt mit sich selbst und lernt selbst bei einer bestehenden Erkrankung die gesunden Anteile des eigenen Ichs besser und deutlicher zu erkennen.
Heilung und Prävention
Mit Qigong kann die Heilung auf körperlicher, geistiger und seelischer Ebene unterstützt werden. Die Übungen bewirken sowohl eine Aktivierung der Selbstheilungskräfte, als auch eine geistige und körperliche Entspannung. Zudem werden Achtsamkeit und Konzentration gefördert, krankmachende Verspannungen gelöst und Stressoren beseitigt. Ebenso soll Qigong helfen, Organe zu stärken oder zu harmonisieren, um so auf verschiedene Prozesse und Systeme aktiv einzuwirken, so dass deren Funktion verbessert wird. Doch nicht nur die Heilung, sondern auch die Prävention von Krankheiten ist ein wichtiger Aspekt des Qigong aus Sicht der Traditionellen Chinesischen Medizin. Nach Lehrmeinung der TCM geht jeder Krankheit ein energetisches Problem voraus, lange bevor aus Sicht der westlichen Medizin Symptome auftreten oder sich ein Befund manifestiert.
Demnach können Heilprozesse gefördert und Erkrankungen vorgebeugt werden, indem Energieblockaden gelöst werden. Im Rahmen der TCM spielen auch Emotionen bei der Entstehung von Krankheiten eine Rolle, beispielsweise wenn diese langfristig exzessiv unterdrückt oder ausgelebt werden. Hier kommt Qigong zum Ausgleich der Emotionen zum Einsatz. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Übungen nicht darauf ausgerichtet sind, Symptome schnell zu beseitigen. Um den Heilprozess zu fördern und ein Gleichgewicht zwischen An- und Entspannung zu erreichen, ist ein regelmäßiges Üben über einen längeren Zeitraum nötig. Doch die Geduld zahlt sich aus, denn im Gegensatz zu einem Schmerzmittel, dessen Wirkung meist auf die Symptome ausgerichtet ist, bietet Qigong einen ganzheitlichen Ansatz, der bei den Ursachen ansetzt.
Qigong und Diabetes
Dass sich Qigong positiv auf Typ-2- Diabetes auswirken kann, zeigt eine Studie, die in der US Fachzeitschrift Diabetes Care veröffentlicht wurde. Das Ergebnis: Bei einer Gruppe von Typ-2-Diabetikern, die über einen Zeitraum von drei Monaten wöchentlich eine halbe Stunde Qigong praktizierten, besserten sich vor allem die Nüchternblutzuckerwerte. Ein weiteres Forscherteam aus Taiwan und Australien untersuchte die Auswirkungen der Übungen in einer Kleinstudie mit 30 Diabetikern und 30 gesunden Probanden, die ebenfalls über einen Zeitraum von drei Monaten, allerdings dreimal wöchentlich, trainierten. Hier konnte sowohl ein positiver Effekt auf den Langzeitwert HbA1c, als auch auf die für die Immunabwehr wichtigen T-Helferzellen festgestellt werden. Im Durchschnitt sank der HbA1c-Wert von 7,59 Prozent auf 7,16 Prozent. Gleichzeitig beruhigten sich bestimmte Entzündungsprozesse und das Wohlbefinden so wie die Fitness der Studienteilnehmer stieg. In einer weiteren dreimonatigen Ministudie der University of Queensland wurde untersucht, inwiefern sich Qigong- und Tai Chi-Übungen zur Verbesserung von Anzeichen eines Metabolischen Syndroms eignen. Die elf Probanden zwischen 42 und 65 Jahren litten alle unter erhöhten Blutzuckerwerten. Mit gezieltem Training konnte nicht nur der Body-Mass-Index, sondern auch der Blutdruck gesenkt werden. Das zeigt: Qigong bietet Menschen mit Stoffwechselstörungen und Übergewicht die Möglichkeit, auf schonende Art und Weise mehr Bewegung in den Alltag zu bringen und die Gesundheit zu verbessern.