Ist weniger mehr?
Fasten bei Diabetes – ist das überhaupt möglich? Ja, denn unter den richtigen Bedingungen ist der geplante Verzicht auf Nahrung sogar gesundheitsfördernd, auch für Diabetiker.
Fasten ist eine freiwillige Entscheidung. Im Gegensatz zum Hungern, bei dem der Körper unter Stress gerät, ist vor allem das Heilfasten als reinigende Erholungskur zu sehen. Die meisten Menschen, die noch nie gefastet haben, fragen sich, wie es gehen soll auf Nahrung zu verzichten und trotzdem leistungsfähig zu sein. Wir sind es gewohnt, feste Mahlzeiten zu uns zu nehmen und gerade bei Menschen mit Diabetes erleichtert ein regelmäßiger Tagesablauf oft die Therapie. Dennoch können sich Fastenperioden positiv auf den Diabetes auswirken. Im Februar 2017 entdeckten Forscher der University of Southern California (USC) bei einer Studie mit menschlichen Bauchspeicheldrüsenzellen, dass sich eine Ernährungsform mit regelmäßigen Fastenperioden günstig bei Diabetes auswirken kann. Sie stellten fest, dass Fasten bei der Stabilisierung des Blutzuckerspiegels helfen und außerdem die Bildung neuer Pankreaszellen auslösen könne, welche sodann die alten funktionsuntüchtigen Pankreaszellen ersetzten.
Gewicht verlieren
Der medizinische Aspekt des Fastens kann außerdem zur Behandlung von Übergewicht und anderen, durch die Ernährung mit bedingten Erkrankungen genutzt werden. Sofern keine zusätzlichen Beeinträchtigungen wie Herz-Kreislauf-, Nieren- oder Leberleiden dagegen sprechen, können Diabetiker fasten. Dazu ist es wichtig, das Vorhaben genau mit einem behandelnden Arzt durchzusprechen, denn es müssen bestimmte Maßnahmen wie die Anpassung der Insulindosis oder der Medikamente besprochen werden. Spezielle Fastenkliniken bieten die Möglichkeit der umfassenden Kontrolle während der Fastenkur. Mit der Gewichtsreduzierung tritt vor allem bei Typ-2-Diabetikern meist eine deutliche Verbesserung des gesamten Stoffwechsels ein. Ebenfalls können erhöhte Cholesterinwerte und Bluthochdruck gesenkt werden. Nach dem Fasten sollten gewohnte Ernährungsmuster überdacht und entsprechend verändert werden, um eine dauerhafte Besserung zu erreichen.
Stoffwechselschalter
Stellen Sie sich vor, dass der Stoffwechsel während einer Fastenperiode von einer Ernährung von außen auf eine Ernährung von innen umstellt. In Studien des Helmholtz Zentrums konnte gezeigt werden, dass während des Fastens ein bestimmtes Protein vermehrt hergestellt wird, das den Stoffwechsel in der Leber anpasst. Beim Fasten wird ein Signal an die Zellen der Leber gesendet, das zu einer Regulation im Zucker- und Fettstoffwechsel führt. Vieldiskutiert ist die Frage, ob der kontrollierte Eiweißabbau im Fastenstoffwechsel bedenklich oder therapeutisch wertvoll ist. Fest steht, dass der geringe Eiweißverlust unter den richtigen Bedingungen unbedenklich ist und nach der Fastenperiode wieder behoben wird. „Er bietet sogar die Chance, den Eiweißpool zu erneuern und eventuell vorhandene schädliche Eiweißdepots in der Blutbahn, in den Zellen und im Bindegewebe abzubauen“, schreiben Dr. Thomas Rampp und Sabine Pork in ihrem Buch „Gesund durch Fasten“. Die Experten betonen, dass bei methodisch richtigem Fasten die Leistungsfähigkeit der Muskulatur (auch der Herzmuskulatur) zunehmen könne, insbesondere, wenn zusätzlich ein Bewegungsprogramm durchgeführt werde.
Immunsystem stärken
Ernährungsmediziner gehen davon aus, dass viele Zivilisationskrankheiten ernährungsbedingt sind, oder zumindest eine ernährungsbedingte Komponente eine Rolle bei der Entstehung spielt. Amerikanische Wissenschaftler um den Gerontologen Valter Longo haben herausgefunden, dass Fasten einen regenerierenden Effekt auf das Immunsystem haben kann. Während der Fastenzeit baut der Körper unter anderem alte und beschädigte Immunzellen ab, um Energie zu generieren und zu sparen. Im Immunsystem erfüllen die weißen Blutkörperchen eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung von Entzündungen, bakteriellen Infektionen, allergischen Reaktionen, Autoimmunkrankheiten und vielen anderen Immunprozessen. Während des Fastens sinkt die Anzahl der weißen Blutkörperchen deutlich ab, um danach sprunghaft wieder anzusteigen. Das Immunsystem wird dadurch sozusagen verjüngt und kann im Anschluss effektiver arbeiten.
Keine schlechte Laune
Wer erwartet, dass Heilfasten zu schlechter Laune führt, hat sich in der Regel getäuscht. Es kann zwar zu sogenannten „Fastenflauten“, also Stimmungstiefs, kommen, doch die meisten Menschen, die es ausprobiert haben, berichten von mehrHöhe- als Tiefpunkten. Das liegt daran, dass Fasten die Konzentration des verfügbaren Serotonins erhöht. Dabei handelt es sich um ein Hormon, das im körpereigenen Belohnungssystem eine wichtige Rolle spielt. Es kann sich sogar eine regelrechte Fasteneuphorie einstellen. Auch auf den Schlaf wirkt sich Fasten aus. Anfangs kann er zwar etwas unruhiger und flacher werden, aber generell wird weniger Schlaf benötigt, um sich dennoch ausgeruht und energiegeladen zu fühlen. Träume können sich während dieser Zeit intensivieren. Es wird davon ausgegangen, dass Konflikte aus dem Unterbewusstsein an die Oberfläche dringen und im Traum bearbeitet werden. Deswegen hat Heilfasten auch oft eine reinigende Auswirkung auf die seelische Gesundheit.
Kein Jojo-Effekt
Dass es nach Diäten schnell zum sogenannten Jojo-Effekt kommen kann, ist bekannt. Doch wie sieht es mit der Gewichtszunahme nach dem Fasten aus? Für die Erhaltung der Gewichtsreduktion nach dem Fasten ist die Änderung der Gewohnheiten in Bezug auf Ernährung, Bewegung und Lebensordnung wichtig. Dennoch sollten Sie es auch mit dem Fasten nicht übertreiben. Wiederholte und lange Phasen einer Reduktionsdiät mit dem Ziel, Gewicht zu verlieren, bergen die Gefahr, dass sich der Körper auf eine vermeintliche Mangelsituation einstellt. Dadurch sinkt der Grundumsatz. Dies kann jedoch später zu einer überproportionalen Gewichtszunahme führen. Bei kurzzeitigem Heilfasten besteht eine solche Gefahr nicht.
Buchinger-Heilfasten
Das klassische Heilfasten kann auf unterschiedliche Weise durchgeführt werden. Die bekanntesten Arten sind das Buchinger-Heilfasten und die F.-X.-Mayr-Kur. Dr. Otto Buchinger gilt als der „Vater des Heilfastens“ in Deutschland. Er entwickelte sein Konzept in den 1920er Jahren. Während des Buchinger- Heilfastens wird ausschließlich flüssige Nahrung aufgenommen. Dazu gehören zweimal täglich Gemüsesäfte und Gemüseabkochungen, so wie einmal Fruchtsaft, kleine Mengen kaltgeschleuderter Honig und etwas unbehandelte Zitrone. Insgesamt werden dabei täglich 250 bis 500 Kalorien zu sich genommen. Menschen, die einen empfindlichen Magen haben, können breiartige Zubereitungen aus Gerste, Reis oder Leinsamen mit auf den Speiseplan schreiben. Auch empfehlenswert sind Buttermilch, Joghurtwasser und Leinöl. Die Kaloriengrenze liegt immer bei 500, da bei einer Überschreitung die physiologische Umstellung in den Fastenstoffwechsel nicht vollständig erfolgen kann. Die Nahrung dient der Versorgung des Körpers mit Nähr- und Vitalstoffen und wirkt sich sowohl positiv auf den Körper als auch auf die Seele aus. Getrunken werden drei Liter Wasser oder Tee. Auch das Trinken von einem sogenannten Brottrunk ist förderlich für das Wohlbefinden, denn er liefert unter anderem Mineralien und Vitamine und hat kaum Kalorien. Die enthaltenen Milchsäurebakterien tragen probiotisch zu einer intakten Darmflora bei.
Die F.-X.-Mayr-Kur
Franz Xaver Mayr (geboren 1875) war unter anderem als Kurarzt tätig und erkannte schon früh die Bedeutung der Darmgesundheit für den Gesamtorganismus. Seine Fastenmethode ist auch als „Milch-Semmel- Kur“ bekannt. Im Gegensatz zum Buchinger-Heilfasten darf bei seiner Methode gekaut werden, und zwar besonders gründlich. Jüngste Forschungen bestätigen, dass Weißbrot die Laktobazillen im Darm unterstützt. Die Mayr-Kur beginnt mit einer Teefasten-Phase, inklusive Abführen mit Bittersalz. Anschließend werden ein bis zwei Semmeln pro Tag in kleinen Bissen bewusst gekaut, gemeinsam mit einem Teelöffel Milch (bis zu 250 Milliliter Milch pro Semmel). Getrunken werden Wasser und Kräutertees. Mittlerweile gibt es auch Varianten der Kur mit glutenfreien Brötchen und Milchalternativen wie Soja- oder Reismilch.
So gelingen die Fastentage auch am Arbeitsplatz
Optimalerweise beginnen Sie mit den Fastentagen an einem Freitag, um sich am Wochenende an den
neuen Zustand zu gewöhnen. Eine gute Vorbereitung trägt zum Erfolg bei. Diese Tipps helfen Ihnen, die Fastenkur auch im Arbeitsalltag leichter zu gestalten.
››› Idealerweise sollten Sie sich die Fastentage auf ruhigere Zeiten legen, also nicht gerade, wenn ein wichtiges Projekt ansteht oder Sie viel zu tun haben. ››› Da das Frühstück ausfällt, sollten Sie die Zeit am Morgen für einen bewussten Beginn des Tages nutzen. Unterstützend für Körper und Seele können Atemübungen, Yoga oder kurze Meditationseinheiten sein. Vielleicht haben Sie auch eine andere Idee, um gut in den Tag zu starten. Sorgen Sie für Abwechslung von der Alltagsroutine und schlagen Sie einen anderen Weg zur Arbeit ein. Zum Beispiel mit dem Fahrrad statt mit der Bahn oder Sie steigen eine Station früher aus dem Bus und laufen ein Stück zu Fuß.
››› Machen Sie es sich schön, auch am Arbeitsplatz. Vielleicht stellen Sie sich ein paar Blumen auf den Schreibtisch oder kochen sich einen leckeren Tee. Die Fastenzeit soll nicht zur Qual werden, sondern möglichst angenehm gestaltet werden.
››› Sprechen Sie mit anderen über Ihre Fastenzeit, zum Beispiel mit Kollegen. Gespräche können Sie unterstützen und motivieren.
››› Das Mittagessen fällt aus. Am besten gehen Sie nicht mit in die verführerische Kantine, sondern nutzen die Zeit für einen Spaziergang. Mittlerweile gibt es ein großes Angebot an kurzen Entspannungsübungen auf CD oder spezielle Apps, die Sie durch kurze Sequenzen führen. Also Kopfhörer auf und relaxen! ››› Sollte der Kreislauf einmal absacken, kann eine kurze Ohr-Akupressur helfen. Dabei kneten Sie Ihre Ohrmuscheln mit angenehmem Druck etwa zwei bis drei Minuten durch.
››› Der Arbeitstag ist geschafft, jetzt sollten Sie sich etwas Schönes gönnen. Wie wäre es mit einer Massage oder einem Besuch im Museum? Vielleicht haben Sie auch noch ein Plus an Überstunden, das Sie nutzen können, um sich am Nachmittag frei zu nehmen. Im Körper läuft der Stoffwechsel auf Hochtouren, deswegen kann es gut tun, sich eine Auszeit zu nehmen und es sich auf dem Sofa mit einem Buch und einem leckeren Tee gemütlich zu machen. ››› Besprechen Sie Ihren Arbeitsalltag und Ihr Vorhaben zu Fasten auch mit Ihrem Diabetologen, um gut in die Kur zu starten und durchzuhalten.