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Schwanger mit Typ 1

Eine Schwangerschaft mit Typ-1-Diabetes ist nicht immer leicht, doch auch mit der Erkrankung ist Babyglück möglich. Unsere Autorin Kathi Schanz ist selbst langjährige Diabetikerin und berichtet
über ihre Erfahrungen während der Schwangerschaft.

Eine Schwangerschaft ist immer eine spannende Zeit. Vor einigen Jahrzehnten wurde Frauen mit Typ-1-Diabetes noch davon abgeraten, Kinder zu bekommen. Zum Glück sieht das heute anders aus. Dennoch ist eine gute Blutzuckereinstellung das A und O für die Gesundheit von Mutter und Kind. Heute gibt es eigentlich nur noch zwei Gründe, warum von einer Schwangerschaft bei Typ-1-Diabetes abgeraten wird: Zum einen kann durch Spätfolgen entstandene Schädigungen der inneren Organe der Mutter die Versorgung des Kindes im Mutterleib beeinträchtigt werden. Der zweite Grund sind Ärzte der „alten Schule“, welche an Statistiken der damaligen Zeit festhalten und dies an Frauen mit Kinderwunsch weitergeben.

Moderne Technik hilft in der Schwangerschaft

Die moderne Technik hilft in den meisten Fällen sehr, um eine komplikationslose Schwangerschaft durchlaufen zu können. Die kontinuierliche Glukoseüberwachung beispielsweise mittels CGM-System ermöglicht eine dauerhafte Kontrolle der Gewebezuckerwerte für Patient und Diabetologen. Viele Praxen sind schon so ausgerüstet, dass die CGM-Daten dort ausgelesen werden können, wodurch eine genaue Anpassung und Einstellung der Werte möglich geworden ist. Ein CGM können Frauen, die Mutter werden möchten, über Diabetologen und die Krankenkasse schon frühzeitig beantragen. Ob das bewilligt wird, ist zwar nicht sicher, aber zumindest besteht die Voraussetzung, eine Schwangerschaft mit guten bis ausgezeichneten Werten zu erleben.

Trotz jeglicher Vorbereitungen auf eine Schwangerschaft geht man als schwangere Diabetikerin eine Risikoschwangerschaft ein. Es gibt jedoch Maßnahmen, die eine Frau mit Typ-1-Diabetes bei Kinderwunsch treffen kann. Eine sehr gute Blutzuckereinstellung gehört in jedem Fall dazu. Der Hba1c sollte unter 7 Prozent liegen. Die Einnahme von Folsäure sowie Jod vor eintretender Schwangerschaft verringert das Fehlbildungsrisiko des Kindes und wird in der Regel bis zur zwölften Schwangerschaftswoche fortgeführt. Wenn eine Frau mit Kinderwunsch raucht, sollte sie damit bestenfalls bereits vor der Empfängnis aufhören. Falls noch keine Insulinpumpentherapie durchgeführt wird, könnte man sich darüber bei seinem Diabetologen informieren. Generell ist es sinnvoll, mit seinen Fachärzten, sowohl dem Frauenarzt als auch dem Diabetologen, über den Kinderwunsch zu sprechen und sich beraten zu lassen.

Wenn der Test endlich positiv ausfällt

Sobald der Schwangerschaftstest positiv ausfällt, beginnt eine spannende, schöne und auch anstrengende Zeit für die werdende Mutter. Nun geht es darum, seine Blutzuckereinstellung an die eines „Nicht-Diabetikers“ anzunähern (siehe Kasten). Das erfordert „Patienten Empowerment“. Dieser Begriff hat sich erst in den letzten Jahren etabliert und drückt die Selbstverantwortung und Eigeninitiative aus, mit welcher einer 24/7-Erkrankung wie Diabetes begegnet werden kann – im besten Fall. Natürlich ist man ab jetzt Dauergast bei seinem Diabetologen, seinem Frauenarzt und weiteren Spezialisten, mit welchen man den Verlauf der Schwangerschaft bespricht, den Blutzucker regelmäßig anpasst, seinen Hba1c ca. alle vier bis sechs Wochen bestimmen lässt und beratende Gespräche führt. Kein Arzt kann jedoch eine „Rund um die Uhr- Betreuung“ leisten, sodass man die meiste Zeit für sich selbst Entscheidungen treffen muss.

Kliniksuche, Geburt und die Zeit des Stillens

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) brachte 2005 einen Beschluss heraus, dass für schwangere Frauen mit einem insulinpflichtigen Diabetes eine Entbindung in einer Klinik mit Perinatalzentrum Level 2 vorgesehen wird. Außerdem wird eine Entbindungsklinik mit integrierter Neonatologie empfohlen. Während der Geburt ist eine gute Einstellung des Blutzuckers enorm wichtig. Zu hohe Blutzuckerwerte der Mutter können dazu führen, dass das Neugeborene nach der Geburt in eine Hypoglykämie fällt. Zu niedrige Blutzuckerwerte können zu einer nachlassenden Wehentätigkeit führen. Für die Mutter ist es wünschenswert, wenn Unterstützung mit Expertise bei der Geburt anwesend ist. Dies kann der Freund oder Ehepartner sein, der sich als „Typ F-ler“ lange mit Diabetes beschäftigt hat und weiß, worauf es im Falle von Hypo- oder Hyperglykämien ankommt – oder Familienmitglieder, die speziell von der werdenden Mutter geschult wurden. Nach der Geburt fällt der Insulinbedarf abrupt auf den etwaigen Bedarf von vor der Schwan- gerschaft ab, manche Frauen haben sogar einen bis zu 20 Prozent niedrigeren Insulinbedarf. Dies geschieht unmittelbar mit sinkendem Hormonspiegel nach der Geburt und darauf sollte jede werdende Mutter vorbereitet sein. Muttermilch ist die beste Nahrung für Säuglinge – dies gilt genauso für Kinder von Diabetikerinnen. Das Stillen verbraucht Energie, sodass man in der Regel immer schnellwirksame Kohlenhydrate in der Nähe haben sollte. Gerade kurz nach der Geburt, im Prozess der neuen Anpassungen und Einstellungen, kann es vermehrt zu Unterzuckerungen während des Stillens kommen.

Disziplin? Ja! Unmöglich? Nein!

Der Kinderwunsch muss für Diabetikerinnen heutzutage nicht unerfüllt bleiben. Eine sehr gute ärztliche Betreuung und eine hervorragende Blutzuckereinstellung sowie ein hohes Maß an Disziplin gehören dazu, um eine komplikationslose Schwangerschaft zu durchlaufen und schlussendlich ein gesundes Kind auf die Welt zu bringen. Meine Schwangerschaft verlief recht komplikationsbehaftet. Ich hatte einen zehnfach erhöhten Insulinbedarf, lagerte etliches an Wasser ein und nahm insgesamt 60 Kilogramm zu. Ich nehme dieses „Negativ-Beispiel“ immer gerne um zu zeigen, dass man trotz schwieriger Schwangerschaft ein gesundes Kind auf die Welt bringen kann. Hannah ist heute zweieinhalb Jahre alt, gesund und munter. Durch eine gute Blutzuckereinstellung (Hba1c zwischen 5,3 und 5,6 Prozent) ging es meiner Tochter während der Schwangerschaft durchweg gut. Dies erforderte Disziplin, die man jedoch als werdende Mutter gerne bereit ist zu geben. Würde ich noch ein Kind bekommen wollen? Ja! Diabetes stellt zwar eine Herausforderung dar, ob schwanger oder nicht, aber das Glück, sein Kind nach der Geburt auf dem Arm halten zu dürfen, ist mit keinem „Aufwand“ in der Schwangerschaft aufzuwiegen.

Erkrankung und Berufung zugleich

Es mag in erster Linie etwas seltsam klingen, wenn ich von meiner Erkrankung als Berufung spreche. Diabetes Awareness verbreiten, aufklären, Mut machen und durch meine positive Umgangsweise mit der Erkrankung andere Betroffene motivieren – das ist meine Passion. Meiner Auffassung nach ist dies nicht nur wertvoll für die Gesellschaft, um Stigmatisierung und negativen Behaftungen unserer Erkrankung entgegenzuwirken, sondern auch für die Diabetes- Community und am Ende sogar für mich selbst. Denn mich mit dem Thema immer und immer wieder auseinanderzusetzten, führt zu einer ständigen Weiterbildung und zu Patienten Empowerment im besten Sinne. Diabetes hat mich zu der Person gemacht, die ich heute bin. Und ja, ich bin tatsächlich dankbar dafür! Natürlich wünscht man niemandem eine solche Erkrankung – das ist ja wohl selbstverständlich – jedoch bin ich einfach nur dankbar helfen zu können. Motivation steckt an und das ist das, was wir Betroffenen benötigen!

Das Internet zum Erfahrungsaustausch

In der Schwangerschaft mit meiner Tochter Hannah fiel mir auf, dass es keinen Video-Content über Schwangerschaft mit Typ-1-Diabetes aus Sicht einer Betroffenen gab. Das wollte ich ändern und gründete den YouTube Kanal „Diabeteswelt“. Ich dachte mir, es muss doch Frauen da draußen geben, die dankbar über die Erfahrungswerte anderer Diabetikerinnen in der Schwangerschaft sind und startete meine Video-Reihe. Ich drehte wöchentliche Schwangerschaftsupdates, produzierte Videos über Schwangerschaft und Geburt und informierte mich selbst im höchsten Maß. Heute stellt sich immer wieder heraus, wie vielen Menschen man allein durch den Erfahrungsaustausch helfen kann. Beinahe täglich kommen Benachrichtigungen von Zuschauerinnen, denen genau das in ihrem unmittelbaren Umfeld fehlt: Der Austausch mit Menschen in der gleichen Situation. Jemand, der mich in dem Moment versteht. Der versteht, wenn man absolut gereizt ist, weil die Blutzuckerwerte trotz der größten Mühe seinerseits einfach nicht runtergehen wollen – da ein weiterer Hormonschub im Anmarsch ist. Der die Sorgen und Ängste nachvollziehen, aber auch die Freuden teilen kann, weil er einfach aus eigener Erfahrung weiß, wie es ist, mit Diabetes Typ 1 schwanger zu sein.