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Diabetes Typ 3c

Typ-1- und Typ-2-Diabetes – diese Diabetesformen kennen alle. Auch von Schwangerschaftsdiabetes haben viele schon gehört. Doch wissen Sie, was es mit Diabetes Typ 3c auf sich hat?

Theresa leidet an der „Eisenspeicherkrankheit“, von Ärzten auch Hämochromatose genannt. Bei ihr nimmt der Körper stark erhöhte Mengen an Eisen aus dem Darm auf und lagert sie ein. Die krankhaft hohen Eisenmengen schädigen verschiedene Organe – unter anderem auch Leber und Bauchspeicheldrüse. Damit geht eine verminderte Insulinproduktion einher. Vor einigen Wochen hat der Arzt bei Theresa deshalb zusätzlich zur Eisenspeicherkrankheit einen Diabetes festgestellt. Der Arzt spricht von einem Typ-3c-Diabetes.

Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse

Neben den häufigen und bekannten Diabetestypen 1 und 2 gibt es seltene Diabetesformen, die unter dem Begriff Typ-3-Diabetes zusammengefasst werden. Je nach Ursache unterteilt man diese in acht verschiedene Unterformen – sie werden mit den Buchstaben a bis h bezeichnet (siehe Kasten). Beim Typ 3c stecken verschiedene Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse hinter dem Diabetes, zum Beispiel:

• Verletzungen der Bauchspeicheldrüse: beispielsweise durch einen Unfall oder eine operative Entfernung der Bauchspeicheldrüse.

Mukoviszidose: Bei der unheilbaren Erbkrankheit schädigt das in großen Mengen gebildete zähflüssige Sekret auch die Inselzellen der Bauchspeicheldrüse. Etwa jeder Dritte Mukoviszidose-Patient ist deshalb auch von Diabetes betroffen.

Hämochromatose (wird auch als „Eisenspeicherkrankheit“ bezeichnet): Bei der genetisch bedingten Stoffwechselstörung reichert sich im Körper Eisen an. Zunächst treten unspezifische Symptome wie Müdigkeit, allgemeine Schwäche und Unwohlsein auf. Mit der Zeit können ohne Behandlung schwerwiegendere Folgen hinzukommen. Unter anderem zerstört das überschüssige Eisen die Inselzellen der Bauchspeicheldrüse und es kommt zum Insulinmangel. Etwa 65 Prozent der Hämochromatose-Patienten sind auch von Diabetes betroffen.

Bei chronischen Entzündungen der Bauchspeicheldrüse kommt es zu einem Ausfall der Drüsenfunktionen und so ebenfalls zum Insulinmangel. Hauptursache der Entzündung ist Alkoholmissbrauch.

• Außerdem können Tumore in der Bauchspeicheldrüse Ursache des Typ-3c-Diabetes sein. All diese Beispiele zeigen, wie viele Facetten Typ-3-Diabetes haben kann. Die Bauchspeicheldrüse ist eine der größten Drüsen des menschlichen Körpers. Bei Stoffwechselgesunden produziert sie Hormone sowie Verdauungsenzyme und erfüllt zusammen mit der Leber zentrale Funktionen im Nährstoff- und Energiehaushalt. Nach operativer Entfernung oder der Zerstörung der Bauchspeicheldrüse durch eine Erkrankung kommt es zum absoluten Mangel an Enzymen, die für die Verdauung der Nahrung wie zum Beispiel von Fetten unverzichtbar sind.

Wenn Insulin und Glukagon fehlen

Darüber hinaus fehlen die wesentlichen Hormone für die Blutzuckerregulation – Insulin und Glukagon (siehe Kasten Seite 94). „Der gleichzeitige Mangel an Insulin und Glukagon erschwert die Einstellung von Menschen mit Diabetes Typ 3c. Es kommt zu einer instabilen Stoffwechsellage mit extrem hohen Blutzuckerwerten, die sich mit sehr tiefen Werten abwechseln. Die Patienten haben deshalb ein sehr hohes Risiko für schwere Hypoglykämien sowie für eine Blut-Übersäuerung durch die Verbrennung von Fetten (Ketoazidose)“, erklärt der Diabetesspezialist aus Landau/Pfalz Dr. Ste- phan Kress. Da Menschen mit Typ- 3c-Diabetes mehrere Gesundheitsprobleme beziehungsweise Erkrankungen gleichzeitig zu bewältigen haben, ist es wichtig, dass sie intensiv und ganz individuell betreut werden. Theresa hat deshalb im Sommer an einer Schulung speziell für Menschen mit Diabetes Typ 3c teilgenommen. In angenehmer Umgebung hat sie ein Wochenende in Fulda verbracht, dabei viel gelernt und sich intensiv mit anderen Betroffenen und ihren Angehörigen ausgetauscht. „Das Wochenende hat mir viel Selbstvertrauen gegeben. Der Diabetes hat an Schrecken verloren und ich habe das Gefühl, den Diabetes selbst im Griff zu haben. Ich kann heute viel besser einschätzen, wo die Gefahren lauern und weiß, wie ich ihnen begegnen kann. Das gibt mir mehr Sicherheit“, berichtet Theresa von dem Kurs.

„Wichtig bei der Behandlung von Menschen mit Typ-3c-Diabetes ist es, unnötige Beschränkungen zu vermeiden und Verständnis für Appetitlosigkeit, Müdigkeit und Verdauungsstörungen wie Durchfälle oder Verstopfung zu haben“, weiß Dr. Kress, der die Schulung in Fulda geleitet hat, und ergänzt: „Bei der Behandlung von Menschen mit Typ-3c-Diabetes ist es wichtig, eine möglichst stabile Blutzuckereinstellung ohne Episoden von Hyperglykämie, Unterzuckerung oder Ketoazidose zu erreichen und gleichzeitig eine Mangelernährung zu verhindern.“

Lieber viele kleine Mahlzeiten

Um ausreichend mit Nährstoffen versorgt zu werden, sollten Menschen mit Typ-3c-Diabetes bis zu acht kleine Mahlzeiten pro Tag essen. Sie sollten dabei eiweißreiche Lebensmittel bevorzugen und fettreiche Nahrungsmittel eher meiden. Kress betont: „Es sollte aber möglichst wenig Lebensmittelverbote geben und bei der Auswahl der Nahrungsmittel sollten unbedingt die persönlichen Vorlieben des Einzelnen berücksichtigt werden. Nur so kann eine ausreichende Kalorienzufuhr sichergestellt werden.“ Theresas Lieblingsessen sind Apfelpfannkuchen. Weil sie aber immer nur wenig Hunger hat, hat sie sich jetzt eine kleine Pfanne, die eigentlich für Spiegeleier gedacht ist, besorgt. „Damit gelingen die Minipfannkuchen richtig gut“, freut sich Theresa. Zu jeder Mahlzeit nimmt sie die vom Arzt verordneten Verdauungsenzyme ein. Um die Verdauung nicht zu stören, hält sie bei den Getränken einen Abstand von etwa 30 Minuten vor und nach der Mahlzeit ein.

Bewegung hat positive Effekte

Auch wenn es schwer fällt: Menschen mit Typ-3c-Diabetes sollten sich ausreichend bewegen. Dies wirkt sich positiv auf die Blutzuckereinstellung aus. Darüber hinaus können ein Spaziergang im Wald oder eine kleine Radtour über Land ein positives Lebensgefühl vermitteln und insgesamt die Stimmung heben. Dr. Kress empfiehlt täglich mindestens 30 Minuten oder 5.000 Schritte zusätzlich zur Alltagsbewegung. „Die Belastung sollte insbesondere in der Einstiegsphase nur moderat sein – gemäß dem Motto: Laufen ohne schnaufen“, rät der Diabetesspezialist. Bewegt hat sich Theresa immer schon genügend – dafür sorgt ihr Labradorrüde Tasso, der seine täglichen Spaziergänge einfordert, egal wie das Wetter ist und ob Theresa gerade Lust hat oder nicht. Die Blutzuckermessung ist die Grundlage einer erfolgreichen Blutzuckereinstellung – auch bei Diabetes Typ 3c. Die Betroffenen müssen lernen, den Blutzucker zu festgelegten Zeitpunkten (in der Regel achtmal am Tag) mit einem verlässlichen Gerät zu messen und aus den Messwerten die richtigen Schlüsse für ihr weiteres Handeln zu ziehen – zum Beispiel welche Menge an Insulin sie spritzen müssen.

„Mich so oft in den Finger zu stechen – das konnte ich mir nur schwer vorstellen. Ich habe mich deshalb für ein System entschieden, bei dem ich einen kleinen Sensor am Oberarm trage. Mit einem Lesegerät, das ich am Sensor verbeiziehe, kann ich zu jeder Tages- und Nachtzeit meinen Zuckerspiegel sehen und entsprechend reagieren. Und das, ohne dass ich mich jedes Mal stechen muss. Der Sensor bleibt 14 Tage an der gleichen Stelle. In Fulda habe ich gelernt, wie einfach das Wechseln der Sensoren ist“, freut sich Theresa. Dr. Kress erklärt: „Bei Blutzuckerwerten über 250 mg/dl sollte zusätzlich zur Blutzuckermessung eine Ketonmessung erfolgen. Deshalb brauchen die meisten Menschen mit Typ-3c-Diabetes neben einem Blutzuckermessgerät bzw. einem Gerät zur kontinuierlichen Glukosemessung auch ein Gerät zur Ketonmessung.“

Welche Medikamente bei Typ-3c-Diabetes?

Wie bei einem Typ-1-Diabetes muss auch bei Typ-3c-Diabetes regelmäßig Insulin gespritzt werden. Ein Teil der Patienten spritzt dabei täglich einmal ein so genanntes Basalinsulin und zusätzlich zum Essen ein Mahlzeiteninsulin. „Beim Basalinsulin ist es wichtig, dass das ausgewählte Insulin tatsächlich eine Wirkung über 24 Stunden aufweist. Es sollte außerdem ein flaches, gleichmäßiges Wirkungsprofil haben. Das verringert die Gefahr von Hypoglykämien“, macht Dr. Kress deutlich. Bei den Mahlzeiten sorgen kurzwirksame so genannte Analoginsuline für mehr Lebensqualität und Flexibilität im Alltag. Bei diesen modernen Insulinen muss wegen des schnellen Wirkungseintritts kein Spritz-Ess-Abstand eingehalten werden, die Insuline können sogar nach dem Essen gespritzt werden. Das ist bei Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse oder wenn die Bauchspeicheldrüse entfernt wurde, wichtig, da die Betroffenen oft nicht wissen, wieviel sie von einer Mahlzeit essen können. Einige Patienten mit Typ-3c-Diabetes nehmen zusätzlich bestimmte orale Antidiabetika ein (SGLT2-Hemmer). Diese sorgen dafür, dass Glukose vermehrt über die Nieren ausgeschieden wird und senken so insulinunabhängig den Blutzucker. Auch das Tragen einer Insulinpumpe kann eine Option bei Typ-3c-Diabetes sein. Die Pumpe gibt kontinuierlich winzige Insulinmengen ab, die über einen Katheter unter die Haut gelangen. Bei einer Mahlzeit kann über die Pumpe ein zusätzlicher Bolus verabreicht werden. „Mit der Insulinpumpe kann ich die Insulinmenge sehr exakt auf meine Bedürfnisse einstellen. Außerdem hilft mir die Pumpe bei der Berechnung der für eine Mahlzeit notwendigen Insulinmenge. Und wenn mein Blutzuckerspiegel zu stark absinkt, gibt sie einen Warnton ab. Reagiere ich nicht darauf, schaltet sich die Pumpe wenn nötig ab. Das gibt mit mehr Sicherheit vor Unterzuckerungen“, so Theresa.

Die häufigen starken Schwankungen des Blutzuckerspiegels sind bei Menschen mit Typ-3c-Diabetes für das hohe Unterzuckerungsrisiko verantwortlich. Als Grundregel dabei gilt: Bei den ersten Anzeichen „erst essen dann messen“. Grund: Der Blutzu- cker kann bei den ersten Symptomen der Hypoglykämie schon extrem niedrig und die verbleibende Zeit für eine Selbstbehandlung sehr kurz sein. Dr. Kress mahnt: „Eine schnelle Reaktion und die Handlungsabläufe sollten trainiert werden.“ „In Fulda habe ich gelernt, wie ich mit meinen Hypos umgehe. Ohne meinen flüssigen Traubenzucker gehe ich nie aus dem Haus!“, so Theresa. Eine weitere Herausforderung bei einem Typ-3c-Diabetes ist das Risiko einer Ketoazidose – einer medizinischen Notfallsituation, die auch in leichten Fällen ärztlich begleitet werden muss. Doch wie kommt es zu dieser Stoffwechselentgleisung? Obwohl bei Menschen mit Diabetes eigentlich genügend Glukose im Blut vorhanden ist, kann dieses ohne Insulin als Transporter nicht in die Zellen gelangen. Daher entsteht trotz erhöhtem Blutzuckerspiegel im Blut in den Zellen ein Glukosemangel. Um trotzdem die Energieversorgung z.B. von Herz- oder Nervenzellen sicherzustellen, greift der Körper auf Fett als Energieträger zurück. Beim Abbau der Fette entstehen so genannte Ketone. Werden mehr dieser sauren Ketonkörper produziert als das Gewebe abpuffern kann, kommt es zur Ketoazidose – einer stoffwechselbedingten Übersäuerung des Blutes (metabolische Azidose). „Einer der Gründe für eine Ketoazidose nach der Entfernung der Bauchspeicheldrüse kann das Vergessen des Basalinsulins oder die Verwendung eines Basalinsulins sein, dessen Wirkung keine 24 Stunden abdeckt“, so Dr. Kress.

Trotz allem nicht unterkriegen lassen

Die tägliche lebenslange Beschäftigung mit dem Diabetes zusätzlich zu einer weiteren Erkrankung und die Bemühungen um optimale Stoffwechseleinstellung kann für die Betroffenen eine erhebliche psychische Belastung sein. Doch Theresa hat ihren Weg gefunden: „Ich lasse mich vom Diabetes nicht unterkriegen. Dank guter Schulung und mit der jetzt gewonnen Erfahrung schaue ich positiv in die Zukunft. Dabei helfen mir auch die täglichen Spaziergänge mit Tasso, der mich mit seiner guten Laune immer zum Lachen bringt. Aber auch die Unterstützung meiner Familie und meiner Freunde gibt mir viel Kraft.“