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Für Menschen mit Typ-1-Diabetes ist es Alltag: Blutzucker messen und anhand der Ergebnisse die nötige Insulinmenge berechnen. Menschen mit Typ-2-Diabetes zögern jedoch oft, wenn es um regelmäßige Blutzuckermessungen geht. Dabei könnten die Blutzuckerwerte auch bei ihnen viel zum Verständnis der Erkrankung beitragen und neue Freiheitsgrade schaffen.

Maria hat seit ihrem fünften Lebensjahr Diabetes und spritzt mehrmals täglich Insulin. Sie ist von Typ-1-Diabetes betroffen – einer Autoimmunerkrankung, die meist im Jugendalter auftritt. Bei Manfred hat der Arzt vor zehn Jahren Typ-2-Diabetes festgestellt. Anfangs kam Manfred mit einer einzigen Tablette aus, heute nimmt er mehrere Zuckertabletten pro Tag und spritzt abends ein langwirksames Insulin.

HbA1c: So weiß man, wo man steht

Für beide Diabetesformen gilt: Eine anhaltend gute Blutzuckereinstellung erhöht die Chance auf ein langes und gutes Leben. Ein wichtiger Wert, um die Blutzuckereinstellung zu beurteilen, ist der Langzeitblutzuckerwert (HbA1c), denn er spiegelt den durchschnittlichen Blutzuckerwert der letzten zwei bis drei Monate wider. „Im Gegensatz zum HbA1c sagt ein spontaner Blutzuckerwert nur relativ wenig über die Blutzuckereinstellung aus – der Patient kann beispielsweise zuvor gefastet oder gerade etwas gegessen haben“, erklärt der Diabetesspezialist Professor Dr. Andreas Pfützner vom Pfützner Science & Health Institute / Diabeteszentrum und Praxis aus Mainz.

Im Wesentlichen beeinflussen zwei Komponenten den HbA1c-Wert: Der vor dem Frühstück bestimmte Nüchternblutzuckerwert und der Mahlzeitenblutzuckerwert, der zwei Stunden nach dem Essen gemessen wird. Beide müssen gut eingestellt werden, um eine optimale langfristige Blutzuckereinstellung zu erreichen. „Der HbA1c-Wert ist derzeit der beste Wert, um zu beurteilen, wie gut die Diabeteseinstellung in den vorangegangenen Wochen gelungen ist. Ein hoher HbA1c-Wert zeigt an, dass die Blutzuckerwerte regelmäßig zu hoch waren. Das ist Gift für die Gefäße und sollte in jedem Fall vermieden werden“, weiß Professor Pfützner.

„One fits all“ hat ausgedient

Während früher in den ärztlichen Therapieleitlinien für alle Diabetesspatienten ein HbA1c-Zielwert von 6,5% gefordert wurde, geht man die Sache inzwischen differenzierter an. So gibt es heute einen Zielkorridor für den HbA1c-Wert zwischen 6,5 und 7,5%. Dabei wird für jeden Patienten ein individueller Zielwert festgelegt. Wichtige Kriterien sind dabei das Alter des Patienten, seine zusätzlichen Erkrankungen, sein Unterzuckerungsrisiko und seine persönlichen Bedürfnisse. Liegt der HbA1c-Wert dauerhaft unter sieben Prozent, ist das Risiko für Folgeerkrankungen des Diabetes nachweislich verringert. Der Zielwert für Maria ist ehrgeizig – er liegt bei 6,5%. Aber Maria hat auch noch viel vor. Nächstes Jahr ist die Hochzeit mit Sebastian geplant und dann möchte sich Maria endlich den Wunsch von einem eigenen Kind erfüllen. Außerdem betreibt Maria intensiv Sport – am liebsten läuft sie die langen Strecken. Auch einen Halbmarathon hat sie schon bewältigt. Maria erklärt: „Für mich ist eine gute Blutzuckereinstellung sehr wichtig. Ich kann nur dann Leistungen erbringen, wenn meine Werte stimmen. Dies gilt für meinen Beruf als Optikerin genauso wie für mein Privatleben und den Sport.“ Anders bei Manfred: Sein Zielwert liegt bei 7,5% und selbst den kann er nur mit viel Mühe halten. Aber Manfred ist 75 Jahre alt und hat neben seinem Diabetes eine Reihe weiterer gesundheitlicher Probleme: Sein Blutdruck lässt sich nur schwer in den Griff bekommen, seine Fettwerte sind erhöht und vor vier Jahren hatte Manfred einen Herzinfarkt. Hier ist der Arzt etwas vorsichtiger und hat in Absprache mit Manfred das Blutzuckerziel weniger ambitioniert festgelegt.

Das tägliche Diabetesmanagement ist vielschichtig

Damit es mit der angepeilten Blutzuckereinstellung gut klappt, müssen eine Reihe von Dingen beachtet werden: Dazu gehören ausreichend Bewegung, eine ausgewogene Ernährung, Gewichtskontrolle, die regelmäßige Einnahme aller vom Arzt verordneten Medikamente bzw. die Injektion von Insulin. Ganz besonders wichtig sind außerdem regelmäßige Blutzuckerkontrollen.

Aus den Blutzucker-Messwerten lassen sich wichtige Informationen gewinnen. Dies gilt natürlich in erster Linie für Menschen mit Typ-1-Diabetes, die aus den Ergebnissen der Blutzuckermessung direkt die nötige Insulinmenge ableiten. Doch auch Menschen mit Typ-2-Diabetes können von den gemessenen Werten erheblich profitieren: Denn der Blutzuckerspiegel eines Menschen ist von vielen unterschiedlichen Faktoren abhängig. Am wichtigsten ist die Nahrungszufuhr – also was und wie viel man isst. Aber auch wenn zwei Menschen mit Diabetes das Gleiche essen, heißt das nicht, dass dies den gleichen Effekt auf den Blutzucker hat. Weitere individuelle Faktoren kommen zum Tragen – zum Beispiel: Wie hoch war der Blutzucker vor dem Essen? Wie schnell entleert sich der Magen in den Darm? Stand gleich nach dem Essen ein Spaziergang auf dem Programm?

Von regelmäßigen Blutzuckerkontrollen profitieren

Mit Hilfe regelmäßiger Blutzuckermessungen lässt sich auch für Typ-2-Diabetiker besser einschätzen, wie der Blutzucker auf Veränderungen reagiert, zum Beispiel auf Entspannung im Urlaub, Arbeit im Haushalt und Garten, Stress im Beruf, sportliche Betätigung, Krankheit oder den Zyklus der Frau.

Außerdem hat man mit den Messwerten jederzeit den Überblick über den Stoffwechsel und kann Situationen wie eine Unterzuckerung rechtzeitig erkennen und vermeiden. „Ein HbA1c kann auch gut sein und trotzdem kann man nicht gut eingestellt sein – z.B. weil man viele Unterzuckerungen hat“, erklärt Professor Pfützner und ergänzt: „Mehrere Messpunkte über den Tag verteilt ergeben ein viel genaueres Bild von den Vorgängen im Körper und ermöglichen eine individuelle Anpassung der Medikamente. Auch deshalb ist es sinnvoll, den Blutzucker regelmäßig zu bestimmen.“

Wer muss wie oft messen?

Die Häufigkeit der Messungen kann individuell sehr verschieden sein: An normalen Tagen kontrolliert Maria zwischen sieben und neun Mal am Tag ihren Blutzucker; wenn sie Sport macht und an Wettkämpfen teilnimmt, noch häufiger. „Ich möchte Folgeerkrankungen vorbeugen und ein langes gesundes Leben führen. Das erreiche ich nur durch regelmäßige Blutzuckerkontrollen und einen guten Blutzuckerspiegel“, erklärt Maria.

Sven – auch er hat Typ-1-Diabetes – hat mit starken Blutzuckerschwankungen und häufigen Unterzuckerungen zu kämpfen. Er trägt zurzeit ein Gerät zur kontinuierlichen Glukosemessung, bei dem ein kleiner Sensor unter der Haut engmaschig den Glukosewert misst. Diese durchgehende Glukosekontrolle kann in schwierigen Fällen helfen, Probleme bei der Einstellung aufzudecken und Lösungen zu finden.

Seit Manfred täglich Insulin spritzt, misst auch er regelmäßig seinen Blutzucker. Eigentlich ist es ihm lästig, aber er hat verstanden, dass man davon auch persönlich profitiert: „Durch die regelmäßigen Blutzuckermessungen habe ich viel gelernt. Ich hätte zum Beispiel nie gedacht, dass schon eine halbe Stunde locker Spazierengehen einen solchen Effekt auf meinen Blutzucker hat. Da macht Bewegung gleich richtig Spaß!“ Manfred bestimmt regelmäßig seinen Nüchternblutzucker. Ab und zu erstellt er außerdem ein 7-Punkte-Profil, d.h. er misst den Blutzucker an sieben über den Tag verteilten Zeitpunkten.

Auch bei Menschen mit Typ-2-Diabetes, die noch kein Insulin spritzen, können regelmäßige Blutzuckermessungen hilfreich sein, um die Erkrankung und die Vorgänge im Körper besser zu verstehen.

Das richtige Messgerät finden

Die Messergebnisse sind natürlich auch die Grundlage für das wichtige Gespräch mit dem betreuenden Arzt: Er kann damit erkennen wie gut die Therapie läuft bzw. ob es bestimmte Zeitpunkte gibt, zu denen der Blutzucker immer wieder aus dem Ruder läuft.

Vielen Menschen mit Diabetes fällt es schwer, ein Blutzucker-Tagebuch zu führen, in dem auch weitere Informationen wie Mahlzeiten, Aktivitäten, Arzneimittel bzw. Insulindosis enthalten sind. Diese Menschen können von modernen Blutzuckermessgeräten profitieren, die die Messwerte selbstständig speichern und bei denen Zusatzinformationen wie Mahlzeiten gleich mit eingeben werden können. Die gespeicherten Werte können beispielsweise am Computer ausgelesen, ausgedruckt oder per E-Mail an den Arzt gesendet werden.

Sprechen Sie mit Ihrem Arzt oder Ihrer Diabetesberaterin – so finden Sie das Messgerät, das genau auf Ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist. Nehmen Sie außerdem unbedingt an Diabetesschulungen teil – dort lernen Sie unter anderem, die gemessenen Werte zu interpretieren und darauf zu reagieren.

Wenn ohne Honigbrötchen nicht läuft

Was Sie nicht tun sollten: Blutzucker-Tagebücher vor dem Arztbesuch „frisieren“. Wenn Sie es nicht schaffen, den Blutzucker regelmäßig zu messen, wenn Sie mit Ihrer Therapie nicht zurechtkommen oder wenn Sie Unterzuckerungen verspüren – sprechen Sie offen mit Ihrem Arzt darüber. Nur wenn er von Ihren Problemen weiß, kann er gemeinsam mit Ihnen nach einer Lösung suchen. So ist natürlich ein ausgewogenes Frühstück mit Vollkornbrot und Käse sinnvoller als ein Honigbrötchen. Wenn aber bei Ihnen am Morgen ohne Honigbrötchen einfach gar nichts läuft, muss man versuchen, gemeinsam einen Weg zu finden. Vielleicht können Sie ja dafür z.B. das Auto zehn Minuten von zuhause entfernt parken und so nach dem Frühstück gleich für ein bisschen Bewegung sorgen.