Bessere Gesundheit

Tierische Helfer für Diabetiker

Tierische Helfer für Diabetiker sind eine große Stütze im Alltag. Zahlreiche Studien haben bereits den positiven Effekt auf Körper und Psyche bewiesen.

Völlig entspannt sitzt Bruno neben seinem Frauchen in der S-Bahn. Lara hat ihre Hand auf den Kopf des Golden Retrievers gelegt und schaut aus dem Fenster. Um sie herum tobt der tägliche Wahnsinn des Berufsverkehrs. Erst seit kurzem traut sich die junge Studentin mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren.

Lange hatte sie mit Panikattacken zu kämpfen, wenn die äußerlichen Eindrücke zu viel wurden: „Nach meinem Abitur fingen die Probleme an. Zuerst konnte ich die Angst noch einigermaßen aushalten, aber schon bald fing ich an, Menschenmengen zu meiden und ging immer weniger aus dem Haus“. Lara brach ihr damaliges Studium ab und litt sehr unter der Situation. Schließlich suchte sie sich eine Therapeutin, die nach ein paar Sitzungen vorschlug, es mit einer tiergestützten Therapie zu versuchen. Die Herausforderung: Der Assistenzhund sollte Lara nicht nur mit ihren Ängsten helfen, sondern auch ein Diabetikerwarnhund sein. „Ich habe seit fünf Jahren Typ-1-Diabetes und die häufigen Unterzuckerungen führten dazu, dass ich im Alltag immer unsicherer wurde. Laut meiner Therapeutin war die Überforderung durch den Diabetes ein Grund für meine Panikattacken“, erzählt die junge Frau.

Ein echtes Multitalent

Gemeinsam mit ihren Eltern suchte Lara nach einem passenden Assistenzhund. Sie erinnert sich: „Wir sind durch ganz Deutschland gefahren und haben mit verschiedenen Trainern gesprochen. Nach einem halben Jahr hatte ich die Hoffnung schon fast aufgegeben, als ich plötzlich auf Bruno traf.“ Er war genau der Hund, nachdem Lara gesucht hatte. In enger Zusammenarbeit mit Brunos Ausbilderin wurde der tierische Helfer darauf vorbereitet, sein neues Frauchen durch den Alltag zu begleiten. Er warnt vor Unterzuckerungen, bringt im Notfall Messgerät und Traubenzucker, kann einen Notfallschalter betätigen und gibt Lara Sicherheit in der Öffentlichkeit. „Bruno und ich haben eine sehr innige Bindung.

Er ist wie ein Freund für mich und weicht mir nicht von der Seite. Ich habe wieder angefangen zu studieren und darf ihn sogar mit in die Uni nehmen“, sagt die junge Diabetikerin. Auch die Blutzuckereinstellung hat sich stabilisiert. Seit Körper und Psyche wieder mehr im Gleichgewicht sind, haben sich die Panikattacken auf ein Minimum reduziert. Lara geht weiter regelmäßig zu ihrer Therapeutin und hat außerdem angefangen, regelmäßig zu meditieren. Wenn sie in ihrem Zimmer sitzt, Entspannungsmusik hört und die Augen geschlossen hat, liegt Bruno neben ihr und gönnt sich auch eine Pause vom anstrengenden Alltag als Helfer auf vier Pfoten.

Eine tiefe Verbundenheit

Für uns Menschen ist die Verbindung zu unseren Haustieren, insbesondere die zu Hunden, über viele Jahrtausende unerlässlich zum Überleben gewesen. Im Zeitalter der Industrialisierung hat dann eine zunehmende Entfremdung mit der Natur eingesetzt. Der Soziobiologe Edward E. Wilson hat 1984 den Begriff „Biophilie“ geprägt. Er geht davon aus, dass eine evolutionär bedingte Verbundenheit zwischen Menschen und anderen Lebewesen besteht.

Im Jahr 1961 beschrieb der amerikanische Psychotherapeut Boris Levinson den positiven Effekt seines Therapiehundes auf einen schwer therapierbaren Jungen. Doch die Geschichte des therapeutischen Einsatzes von Tieren geht noch viel weiter zurück. So liegen Berichte über die sogenannte „Therapie Naturelle“ im neunten Jahrhundert in Belgien vor. Ebenso über tiergestützte Aktivitäten ab 1792 in England und die tiergestützte Therapie aus Bethel seit 1867. Dort wird auch noch heute intensiv und überzeugt tiergestützt gearbeitet. Mittlerweile sind die positiven Effekte auf die Gesundheit in zahlreichen wissenschaftlichen Studien weltweit belegt. Auch in Deutschland werden heute in vielen Bereichen des Gesundheitswesens erfolgreich tiergestützte Interventionen umgesetzt. Von Senioren- und Pflegeheimen über Schulen, Kindergärten oder anderen pädagogischen Einrichtungen bis hin zu psychiatrischen Kliniken kommen tierische Therapeuten zum Einsatz. Es gibt sogar Kliniken oder Einrichtungen mit speziellen Tiergärten.

Hundebesitzer leben länger

Tiere sind aber nicht nur bei bereits bestehenden körperlichen beziehungsweise seelischen Erkrankungen oder Behinderungen gute Therapeuten. Sie können allgemein das Leben sowie die Gesundheit von uns Menschen positiv beeinflussen und Krankheiten vorbeugen oder den Heilungsprozess unterstützen. Ein Spaziergang mit dem Hund durch den Wald sorgt nicht nur für Bewegung, sondern die Zeit in der Natur wirkt auch entspannend. Durch Haustiere lernen Kinder, Verantwortung zu übernehmen. Tiere werten nicht, sie reagieren nicht auf Äußerlichkeiten und sind ein treuer Begleiter.

Fellnasen genießen Streicheleinheiten und gleichzeitig profitieren wir Menschen von den Berührungen. Tiere bringen uns zum lachen und geben viel von dem zurück, was sie bekommen. Eine Studie aus Schweden belegt: Hundebesitzer leben länger. Wissenschaftler der Universität Uppsala hatten die Gesundheit und den Lebensstil von 3,4 Millionen Erwachsenen analysiert. Das Ergebnis: besonders Menschen, die ansonsten wenig Kontakte haben, profitieren von tierischer Gesellschaft. Bei Singles war die Sterblichkeit unter den Hundebesitzern während der zwölfjährigen Untersuchungsdauer um 33 Prozent geringer. Das Risiko für Herzinfarkte sank um elf Prozent gegenüber Alleinstehenden ohne Hund. Hundebesitzer leiden seltener an Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen oder Diabetes und sie bewegen sich im Durchschnitt mehr, als Menschen ohne Vierbeiner.

Soziale Aspekte

Nicht allein die körperliche Aktivität macht das Leben mit Tieren gesünder. Auch soziale Aspekte spielen eine wichtige Rolle. Tiere erhöhen das Wohlbefinden und erleichtern Kontakte mit anderen Menschen. Sie können helfen, Ängste abzubauen und ein neues Selbstbewusstsein zu entwickeln. Das hat auch Lara gemerkt: „Mit Bruno habe ich mich direkt viel sicherer gefühlt. Auch als mich andere Menschen auf ihn angesprochen haben, ist es mir nicht schwer gefallen, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Mittlerweile gehe ich gerne mit ihm durch die Stadt spazieren und ich bin nicht mehr so überfordert von den Eindrücken.“ Menschen profitieren aber nicht nur von Haustieren wie Hunden oder Katzen, auch Kanarienvögel, Hasen, Meerschweinchen, Fische oder Schildkröten, sind eine Bereicherung. Allein der soziale Aspekt, das Kümmern und die Verantwortung für ein Lebewesen verringern das Stressgefühl, senken die Wahrscheinlichkeit an einer Depression zu erkranken und halten sogar das Herz gesund.

Tiere als Spiegel des Menschen

Körper und Psyche sind ein System. Körperliche Erkrankungen wirken sich auf die Psyche aus und umgekehrt. Zum Beispiel bedeutet eine chronische Krankheit wie Diabetes immer auch Stress für den gesamten Organismus. Eine tiergestützte Therapie kann helfen, ein neues Körpergefühl zu entwickeln und Anspannung zu reduzieren. Wer wieder ins Fühlen kommt, der gewinnt neue Kraft und ein neues Selbstwertgefühl, um Aufgaben im Alltag zu meistern.

Tiere spiegeln die innere und äußere Haltung. Dieser Aspekt wird besonders in der tiergestützten Therapie mit Pferden genutzt. Pferde sind sehr soziale, sensible und intelligente Wesen. Sie können bei ihrem Gegenüber sofort emotionale Spannungsfelder wahrnehmen. Sie haben also die Fähigkeit, den Menschen ständig zu spiegeln – eine wunderbare Möglichkeit, zur persönlichen Weiterentwicklung. Pferde fordern zur eindeutigen Kommunikation und Klarheit auf. Für das Pferd ist es nicht wichtig, was ein Mensch erlebt hat, sondern wie er sich im Augenblick fühlt und wie authentisch er sich gibt. Es reagiert unter anderem auf Gestik, Stimme, Atmung, Körperspannung und Mimik. Abwehrmechanismen werden schnell gebrochen und durch das Pferd kann schnell eine beruhigende, motivierende Arbeitsatmosphäre geschaffen werden.

Kontakt zum Unterbewusstsein

Tiere ermöglichen dem Menschen einen Zugang zu seinem Unterbewusstsein. Sie unterstützen psychische Prozesse der Persönlichkeitsentwicklung durch die jeweiligen artspezifischen Möglichkeiten der Kommunikation und Interaktion. In der Beziehung zwischen Mensch und Tier werden negative Rückmeldungen als weniger kränkend, abwertend oder verletzend empfunden. Tiergestützte Interventionen können vor allem bei Kindern die Persönlichkeitsentwicklung positiv unterstützen, Entwicklungsstörungen und Fehlentwicklungen korrigierend beeinflussen.

Ebenso können psychische Prozesse aktiviert werden, die zu einer Verbesserung der Befindlichkeit und des (Sozial-)Verhaltens führen. In der Therapie kann die Anwesenheit von Tieren zudem eine Brücke zwischen Therapeut und Patient bilden. Bei einer chronischen Krankheit wie Diabetes darf die Psyche nicht außer Acht gelassen werden. Insofern ist ein Assistenzhund viel mehr als nur ein tierischer Helfer, der vor Unterzuckerungen warnt. „Bruno ist für mich wie mein bester Freund auf vier Pfoten. Er bringt mich zum Lachen, tröstet mich, wenn ich traurig bin, gibt mir Mut und Nähe. Durch ihn hat sich mein Leben verändert und ich bin ihm unglaublich dankbar“, sagt eine glückliche Lara.